Aus der Sicht eines Sammlers
 
 
Dieser interessante Beitrag zur Problematik von Tonträgern hat mich zu einer persönlichen Aussage zu diesem Thema inspiriert:

> Gratis-»Kultur« ist das Ende jeder Kultur

Als mehr oder minder inaktiver Sammler von Live-Aufnahmen ist mir sowohl die Problematik, als auch das Resultat der Gedanken darüber, nicht nur nicht fremd, sondern entspricht so ziemlich genau dem was ich dazu zu sagen habe. Eigentlich könnte ich das Ganze kurz zusammenfassen: Das Kopieren von offiziellen Aufnahmen ist ein Tabu, während das Sammeln, Erhalten und Verbreiten von Liveaufnahmen ein Segen sein kann.

Unwiederbringliches konservieren

Ich habe jahrelang Liveaufnahmen gesammelt. Es ist eine äußerst zeitaufwendige, fast zwanghafte Tätigkeit, ja eine Sucht. Dahinter steckt der Wunsch Aufnahmen zu erhalten, die ohne Verwahrung und Katalogisierung verloren wären. Oftmals sind es Aufnahmen mit bestimmten Sängern, mit bestimmten Dirigenten, Orchestern, von bestimmten Opernhäusern oder einfach nur Lieblings-Komponisten und -Kompositionen auf die sich einzelne Sammler konzentrieren. So kannte ich zum Beispiel einen Sammler von Verdi-Aufnahmen, einen der Karajan sammelte, einen Metropolitan Opera Sammler und einen der Hunderte von "Winterreisen" besaß.

Was macht man nun mit all diesen Aufnahmen? Kann man sie sich alle anhören, die Videos alle ansehen? Ein Sammler schrieb mir einmal "Meine Frau sagt immer, dass ich mir das doch gar nicht alles anhören kann". Ich schrieb ihm zurück: "Jemand der Briefmarken sammelt kann sie auch nicht benutzen". Er: "Meine Frau lacht sich gerade kaputt, ihr Vater sammelt Briefmarken und einmal im Monat holt er sie aus den Banksafe um sie sich anzusehen."

Durch meine persönlichen Sammleraktivitäten sind z B viele Liveaufnahmen, die noch auf Audiokassetten oder gar Tonbandrollen einem langsamen Weg der Zerstörung entgegengingen, auf CD gelangt und damit der Nachwelt erhalten geblieben. Einfach weil ich danach fragte, sie haben wollte. Wobei das manchmal eben nicht so einfach war. Ein Sammler z B schrieb mir: Ich will nur bestimmte Aufnahmen, wenn du sie mir beschaffen kannst überspiele ich dir die Aufnahmen, die du haben möchtest. Es hat mich 36 Stunden meines Lebens gekostet diese Aufnahmen durch Kontaktaufnahme mit anderen Sammlern zu finden und einige Tage um die Tauschwünsche der beteiligten Sammler zu erfüllen.

Meine Sammlung von Live-Aufnahmen ist riesig. Gleichzeitig habe ich neben anderen Studio-Aufnahmen in meinem Schrank alle offiziellen Aufnahmen mit José Carreras und jetzt mit Jonas Kaufmann, alle rechtmäßig erworben versteht sich. Bei diesen Aufnahmen besteht meines Erachtens auch keine Veranlassung zum Tauschen oder illegalem Download, da man sie an jeder Ecke kaufen kann.

Raubkopien

Das illegale Kopieren von offiziellen Aufnahmen schädigt die Sänger weniger direkt als vielmehr indirekt. Man sagt, dass der Anteil an den Einnahmen für den Verkauf einer bestimmten CD kaum dem entspricht was ein hochdotierter Künstler für ein Konzert als Gage bekommt. Raubkopien machen aber die Musikindustrie, die Label, kaputt und wo kein Geld ist kann auch nichts produziert werden. Der breite Markt ist auf die offiziellen Aufnahmen angewiesen. Manchen von euch dürften z B die Namen der im Artikel erwähnten Sopranistinnen Leyla Gencer, Magda Olivero und Virginia Zeani gänzlich unbekannt sein. Sie wurden von der Musikindustrie weitgehend ignoriert, wohl weil es zu ihrer Glanzzeit „zu viele“ gute Sopranistinnen gab. Leyla Gencer wird aber zum Beispiel, sofern ich mich recht erinnere, als „Queen of live recordings“ bezeichnet.

Qualität ist relativ

Bei Live-Aufnahmen gibt eine künstlerische Qualität und eine technische Qualität, beides sollte sorgfältig betrachtet werden. Heutzutage ist es mit relativ einfachen Geräten möglich eine relativ gute Qualität zu erzielen. Deshalb bin ich nicht sonderlich begeistert, wenn soundtechnisch schlechte Aufnahmen im Internet verbreitet werden. Andererseits gibt es natürlich Raritäten, die nicht in einer guten Qualität zu haben sind. In einem solchen Fall ist die Qualität durchaus zweitrangig.

Ich bin jetzt kein ausgesprochener Sammler mehr. Ich weiß, dass mir vermutlich einige Raritäten, vor allem aus Jonas Anfangsjahren, entgehen, aber es ist für mich zeitlich nicht mehr möglich, mich aktiv am Sammlerleben zu beteiligen. Wenn ihr allerdings eine nette soundtechnisch gute oder auch soundtechnisch schlechte Rarität mit Jonas Kaufmann habt, bemühe ich mich euch im Gegenzug die Aufnahme zu beschaffen, die ihr euch wünscht.

In diesem Sinne, ich sammle alles mit Jonas Kaufmann, egal auf welchem Tonträger, ob ich eine Liveaufnahme allerdings hier veröffentliche bleibt dahingestellt. Wobei sich die Einschränkung mehr auf technische als auf künstlerische Qualität bezieht. Ich habe nämlich im Hinblick auf Jonas Kaufmann noch keine wirklich schlechte künstlerische Qualität erlebt.


Marion Tung
 
 
 
 
 
 
 
 



 
 
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