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Die wohl verrückteste Opernreise, die
ich je gemacht habe |
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Ich habe einmal gelesen, dass Opern-Fans gerne und viel
reisen und das stimmt sicherlich, denn auf meinen Reisen treffe ich viele
Gleichgesinnte, denen das häusliche Stadttheater eine Nummer zu klein ist.
Hat man erst einmal seinen Fuß auf „geheiligten“ Operngrund gesetzt, die
Metropolitan Opera in New York, die Wiener Staatsoper, die Mailänder
Scala, das Royal Opera House in London und auch andere bedeutende
Opernhäuser gesehen, kommt man nicht mehr davon los.
Wenn man dann noch Fan eines bestimmten Sängers ist, stellt sich auch noch
ein gewisser Suchtfaktor ein, dem man sich kaum entziehen kann und
glücklicherweise meistens auch gar nicht will.
Was ist eigentlich ein Fan und wie wird man ein Fan?
Wikipedia erklärt den Begriff wie folgt:Ein
Fan (englisch fan, von fanatic = Fanatiker) ist ein begeisterter Anhänger
einer Person, einer Gruppe von Personen oder einer Sache.
Hat also nichts mit den Dingern zu tun, die unter der Decke hängen und
verbrauchte Luft herumwirbeln.
Webmaster präsentieren eine Fanpage im Internet.
Ich glaube der Typ, der das geschrieben hat, kennt mich.
Außerdem versuchen Fans, Autogramme ihrer Stars zu erhalten und sich
gemeinsam mit ihren Lieblingen fotografieren zu lassen.
Da ist sicherlich etwas Wahres dran.
Trotz der Etymologie hat der Fan nichts mit dem im politischen Sinn
negativ besetzten Begriff Fanatiker zu tun. Im Englischen bezeichnet man
die Fans deshalb meistens als „supporters“.
Das beruhigt mich doch sehr.
In einer Zeitschrift las ich einmal, dass man es sich nicht aussuchen kann,
wessen Fan man wird. Da ging es zwar um Fußball, trotzdem fand ich diesen
Ausspruch sehr weise. Es erwischt einen wie eine Erkältung oder Grippe.
Das sind übrigens Wörter, die unter Opernfans absolut verpönt sind und nur
mit vorgehaltener Hand und im Flüsterton ausgesprochen werden, wenn man
sie denn überhaupt ausspricht. Ein erkälteter Sänger ist so ungefähr die
größte Katastrophe, die über uns hereinbrechen kann und übermäßiges Husten
der Zuschauer ist selbst im dritten Akt von La traviata nicht erwünscht.
Die folgende Geschichte ereignete sich ungefähr ein Jahr, nachdem ich
von einem Fan-Virus befallen wurde, oder, vornehmer ausgedrückt, zu einem
Supporter wurde.
Ein Bekannter, eigentlich nur ein Internet-Bekannter, hatte mich
eingeladen, seine erste Arbeit als Operndirektor zu bewundern. Eric
Génovèse ist Schauspieler an der Comédie-Francaise und er liebt die Oper.
Da er aber vermutlich nicht gut genug singen kann, beschränkte sich sein
Rollenangebot auf den Bassa Selim, eine Sprechrolle. Deshalb beschloss er
wohl, Operndirektor zu werden. Seine erste Opernregie war der Rigoletto in
Bordeaux im Februar 2007. Ich wusste, dass er sich sehr sorgfältig auf
seine erste Regiearbeit vorbereitet hatte und wie stolz er darauf war und
hatte deswegen seine Einladung gerne angenommen, zumal mit Charles
Castronovo und Ekaterina Siurina gute Sänger „am Start“ waren.
Da ich vorhatte mir im gleichen Monat, nämlich am 22., auch Jonas Kaufmanns Debüt als Don
Carlo in Zürich anzusehen und die zweite Vorstellung am 24. ebenfalls mitnehmen
wollte, beschloss ich, einen angemessenen Abstand zwischen diese
beiden Reisen zu legen. Meine Wahl fiel deshalb auf den Rigoletto am 10. Februar.
Nachdem ich Eric meinen Entschluss mitgeteilt hatte und auch meinen
Hin-und Rückflug von Hamburg nach
Toulouse (ich hatte vor, von Toulouse aus mit der Bahn nach Bordeaux zu fahren) und das
Hotel gebucht hatte,
fand ich beim Surfen im Internet heraus, dass Jonas Kaufmann am 19.
Februar in Toulouse einen
Liederabend geben würde. O weh! Welch eine Fehlplanung meinerseits!
Schnell entschlossen wandelte ich meine beiden Kurztrips, den nach
Bordeaux zum Rigoletto und den nach Zürich zum Don Carlo in eine einzige,
längere Reise mit Start in Bordeaux, Zwischenstop in Toulouse und
Endstation in Zürich um, informierte Eric, dass ich erst am 17. Februar
zur Vorstellung seines Rigoletto kommen würde, stornierte das Hotel in
Bordeaux, versuchte die Flüge umzubuchen, was bei Billigfliegern ziemlich
problematisch ist, und buchte einen Flug von Toulouse nach Zürich. Einen
Direktflug gab es nicht, also wählte ich den billigsten Flug mit
Zwischenlandung in London Heathrow. Zwei für die Kurztrips gebuchte Flüge
mussten natürlich verfallen, der Rückflug von Toulouse nach Hamburg und
der Hinflug von Hamburg nach Zürich. Nicht zum ersten Mal kam mir die
Zweideutigkeit des Ausdrucks „teurer“ in den Sinn als ich ausrief „O
teurer Jonas!“.
16. Februar 2007, Flug nach Toulouse und Zugfahrt nach Bordeaux:
Da es keine passenden und vor allem günstigen Direktflüge nach
Bordeaux gab, flog ich zunächst von Hamburg nach Toulouse. Hört sich einfach an,
ist es aber nicht, denn ich wohne zwar nur 110 km von Hamburg entfernt, bin
aber wegen der nicht gerade günstigen Verkehrsverbindungen schon über 4
Stunden unterwegs, bevor ich überhaupt ein Flugzeug betreten kann. Von Toulouse
fuhr ich mit dem Zug nach Bordeaux, 2 Stunden wäre ja auch ok gewesen,
aber der Zug stand mehr als eine Stunde an einer Baustelle. Irgendwann
nickte ich ein und wachte glücklicherweise auf als der Zug Bordeaux
erreicht hatte.
17. Februar 2007, Bordeaux, Rigoletto im Grand–Théâtre
Ich
war das erste Mal in Bordeaux und ich fand die Stadt ausgesprochen
malerisch. Mein Hotel lag in der Innenstadt, ganz in der Nähe des Grand
Théâtre und eines McDonalds, was mir immerhin einige teure Abendessen
ersparte. Abends ging ich zum Grand Théâtre, um mir Rigoletto anzusehen.
Eric hatte mir mitgeteilt, dass ich mein Ticket bei der „bank of invitations“
bekommen würde, aber aus irgendeinem Grund schien Niemand ein Ticket für mich zu
haben. Außerdem verstand man kein Deutsch (ich hatte es auch nicht
anders erwartet, denn mein Französisch ist ja auch nicht der Rede wert) und mit
meinem Englisch kam ich auch nicht so recht klar. Nach einigem Hin und Her
und der Herbeischaffung eines deutsch sprechenden Franzosen stellte sich
heraus, dass tatsächlich kein Ticket für mich reserviert war.
Mittlerweile wurde ich langsam ungeduldig, die Vorstellung war ausverkauft
und ich war es überdrüssig, mir die malerischen Kostüme der Platzanweiser
anzusehen. Tragen die das immer, fragte ich mich, aber dann fiel mir ein,
dass nach der Vorstellung noch ein Maskenball stattfand, als Abschluss
eines „Tags der offenen Tür“. Ich bestand schließlich darauf, dass man
Eric anrief. Er bestätigte meinen Anspruch und man gab mir ein
Presseticket. Ich fragte mich welchem Kritiker ich wohl den Platz weggenommen
hatte, hoffentlich war es einer, der eine schlechte Kritik schreiben
wollte.
Mir gefiel Erics Regiearbeit, den Kritikern auch. Alexandru Agache als Rigoletto war nicht
so ganz mein Fall, aber Ekaterina Siurina, die wohl erste Gilda, die schon
vor dem 2. Akt vom Duca schwanger war, war ganz entzückend (kurze Zeit
später erfuhr ich, dass Ekaterina und Charles glückliche Eltern geworden
waren). Charles Castronovo ist ein guter Tenor, aber irgendetwas fehlte
bei seiner Interpretation des Duca.
Lag es etwa daran, dass ich im Monat zuvor Jonas Kaufmann in dieser Rolle gesehen
hatte?
Nach der Vorstellung ging ich zum Bühneneingang, der gar nicht so einfach
zu finden war, um dem Direktor und seinen Sängern meine Aufwartung zu
machen. Eric freute sich sichtlich und stellte mir seine
Hauptdarsteller vor. |
Grand Théâtre |
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mit Eric |
mit Charles und Ekaterina |
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18. Februar 2007, Neuigkeiten aus Zürich
Eigentlich hatte ich vor, mir auch noch die zweite Vorstellung
des Rigoletto anzusehen, die gleich am nächsten Tag mit der 2. Besetzung
stattfand. Leider hatte ich aber nicht daran gedacht, dass es eine Matinee war. Außerdem trat
etwas ein, was mich in helle Aufregung versetzte und so ziemlich alles
andere vergessen ließ.
Am PC in der Hotelhalle las ich nämlich eine E-Mail meiner Zürcher Freundin:
„Kaufmann ist gestern für Christoph Strehl als Tamino eingesprungen. Ich sitze hier
im langweiligem, schneelosen Engadin, während in Zürich so richtig was los
ist.“
Ein anderer Freund schrieb mir, wie gut Jonas gewesen sei, und dass die
Zuschauer sehr glücklich mit der Besetzungsänderung gewesen wären. Dabei hatte
er nur sehr wenige Stunden, um sich auf die neue und nicht gerade einfache
Zauberflöten-Inszenierung vorzubereiten, die unter anderem das Lernen neuer
Dialoge erforderte. Mancher andere Sänger hätte vielleicht vom
Orchestergraben aus gesungen und einen Regieassistenten spielen lassen.
Nicht Jonas Kaufmann, der, wie ich mich später überzeugen konnte, voll und
ganz in der Rolle aufging, so dass man nicht merkte, dass er im Gegensatz
zu dem Rest des Ensembles nur sechs Stunden und keine sechs Wochen geprobt hatte.
Irgendwie kam ich mir auf einmal total fehl am Platze vor, warum war ich
eigentlich in Bordeaux? Gleichzeitig befielen mich Zweifel, da ich im
Spielplan festgestellt hatte, dass Jonas Kaufmann auch in der zweiten
Vorstellung, also am 20. Februar, den Tamino singen würde. Am 17.
Zauberflöte, am 19. Liederabend in Toulouse, am 20. Zauberflöte, am 22.
Don Carlo Debüt und dann - denn es war ja nicht klar, wann Christoph Strehl
wieder in der Lage sein würde, zu singen - am 23. eventuell wieder eine
Zauberflöte, gefolgt von einem Don Carlo am 24.2. Das geht doch nicht!
Es ging, jedenfalls fast.
19. Februar, Toulouse
Am Morgen des 19. machte ich mich auf den Weg nach Toulouse. Ich hatte
ja ursprünglich nur vorgehabt, am nächsten Tag, also dem 20., nach Zürich zu fliegen, um mir dort die beiden Don
Carlo Vorstellungen anzusehen, mit der Zauberflöte hatte ich natürlich
nicht gerechnet. Selbstverständlich hätte ich mir auch liebend gerne die
Zauberflöten-Vorstellung am 20. angesehen, aber mein Flugzeug
mit Zwischenlandung in London würde erst um 18.30 Uhr in Zürich sein, die
Zauberflöte fing aber bereits um 19.00 Uhr an. Ein Ticket hätte ich schon irgendwie
bekommen, aber selbst in Zürich ist es unmöglich, in 30 Minuten vom
Flugplatz bis in die Innenstadt zu kommen, nicht einmal, wenn man Freunde
bei der Feuerwehr hat. Resignierend gab ich die Hoffnung auf und wagte es auch
nicht mehr, mich auf den Liederabend zu freuen. Was wenn Jonas diesen
Abend
absagen würde?
In Toulouse angekommen bezog ich ein Zimmer in einem schönen Hotel, nicht
sehr weit vom Place du Capitole entfernt, und erfreute mich dann bei einem
Spaziergang an dem schönen Vorfrühlingswetter mit einer Temperatur von
ungefähr 16-18 Grad. Wie so oft führte mich mein Weg in ein Internet-Café (warum muss ich in meinem Urlaub eigentlich auch noch am Computer
sitzen). Für den 23. war Christoph Strehl als Tamino auf der Zürcher Opernhaus-Webseite gelistet, aber was hieß das schon. Es gab noch genau
zwei Tickets für diese Vorstellung. Ich beschloss, alles auf eine Karte zu
setzen und mir eines davon schleunigst unter den Nagel zu reißen. Leichter
gesagt als getan! Auf dem PC des Internet-Cafés war nämlich kein Java
installiert, und ohne Java funktioniert das Buchungssystem des Zürcher
Opernhauses nicht. Den Besitzer des Internet-Cafés immer im Auge
behaltend, lud ich mir also Java aus dem Internet herunter, installierte
es auf dem fremden PC und konnte dann endlich die ersehnte Karte kaufen.
Dann
schlenderte ich langsam über den Place du Capitole, nein ehrlich, ich
hatte es nicht darauf angelegt, oder etwa doch? Es war früher Nachmittag,
die Plätze vor den Cafés waren ziemlich leer, und da saß er tatsächlich,
„mein“ Tenor in der Begleitung von Helmut Deutsch, seinem Klavierbegleiter. Da
Jonas mich auch gleich
erkannte, erlaubte ich mir ihn anzusprechen, mit dem Essen war er ohnehin
gerade fertig geworden. Ich erkundigte mich
nach den Vorfällen und Aussichten in Zürich. Er sagte, dass er sein Debüt
als Don Carlo unbedingt singen wolle, und dass nur der sprichwörtliche
herabfallende Stein ihn daran hindern könne. Danach müsse er sich aber
wohl entscheiden, wenn Kollege Strehl immer noch nicht fit sein sollte.
Wenigstens konnte ich mich jetzt auf den Liederabend freuen, der dazu
erforderliche Tenor war
in der Stadt. Außerdem war ich nun sehr froh, dass ich ein Ticket für die
Zauberflöte am 23. gebucht hatte. Verdi ist mir zwar im Zweifel immer
lieber als Mozart, aber eine von beiden Vorstellungen, entweder Die
Zauberflöte am 23. oder den Don Carlo am 24. würde sicherlich mit dem
"richtigen" Tenor über die Bühne gehen.
Der Zufall wollte es, dass mir der Star des Abends kurz vor der
Vorstellung noch einmal über den Weg lief, als ich, natürlich zu früh für
die Vorstellung, auf dem Place du Capitole herumschlenderte. Ich wollte
ihn nicht weiter aufhalten, obwohl er es nicht eilig zu haben schien.
Lampenfieber scheint er wirklich nicht zu kennen.
Es wurde ein sehr schöner Liederabend und das Publikum feierte Jonas
Kaufmann und seinen Klavierbegleiter. Ich habe mich dann hinterher noch
kurz verabschiedet und erzählt, dass ich leider am nächsten Tag zu spät in
Zürich ankommen würde und mir deshalb die Zauberflöten-Vorstellung an
diesem Abend nicht ansehen könne. |
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20.
Februar 2007, von Toulouse über London nach Zürich, Zauberflöte 1/2
Der Flug mit Zwischenlandung in London dauerte lange und ich war
demzufolge froh, dass meine Zürcher
Freundin, die inzwischen das schneelose, wenig interessante Engadin
verlassen hatte, um Jonas Kaufmanns Debüt als Don Carlo nicht zu
verpassen, mich vom Flughafen abholte. Sie meinte, dass ich ja wenigstens noch zur
zweiten
Hälfte der Zauberflöte ins Opernhaus gehen könne und irgendwie gelang es uns dann
tatsächlich, pünktlich zum zweiten Akt in der Oper zu sein. Meine Freundin, die eigentlich
gar nicht vorgehabt hatte mitzugehen, protestierte,
sie wäre überhaupt nicht „dressed up“ für die Oper, aber wen kümmerte das
schon. Außerdem waren Tamino und Papageno kurz nach Beginn des 2. Aktes
weitaus weniger dressed up. Wie üblich hatte Martin Kušej, der Regisseur,
seiner Vorliebe für Unterwäsche (ein Freund meinte, dass er wohl einen
Vertrag mit einer Unterwäsche-Firma habe) freien Lauf gelassen und dieses
Mal hatte es diese beiden Hauptrollen erwischt. Mir gefiel die Inszenierung
(nicht nur wegen der Unterwäsche), ich fand sie amüsant und ein Teil der
Zuschauer sicherlich auch. Es wurde viel gelacht und irgendwie konnte ich
die Buhrufe bei der Premiere nicht so recht nachvollziehen. Die
Zauberflöte ist ja nun nicht gerade ein geschichtsträchtiges Drama,
sondern reine Fantasie. Aber schließlich bin ich auch kein ausgesprochener
Mozartianer, sondern ein Opernliebhaber, der hervorragenden Gesang liebt
und den bekam ich auf jeden Fall geboten. Es war auch absolut erstaunlich, wie
sich Jonas Kaufmann in diese neue Inszenierung hineinfügte, wie er seine
Rolle spielte. Dass er die Partie singen kann, stand ohnehin außer Frage.
Sein lyrisch-heroischer Tamino begeisterte mich in Zürich genauso wie ein
paar Monate zuvor in New York. Auch alle anderen Sänger gaben ihr Bestes,
wobei mir vor allem Ruben Drole als Papageno, Julia Kleiter als Pamina und
Elena Mosuc als Königin der Nacht gefielen.
Nach der Vorstellung musste ich mir natürlich noch ein Autogramm holen,
wie es sich für einen richtigen Fan gehört. Jonas war tatsächlich etwas
erstaunt, mich zu sehen, denn ich hatte ihm ja gesagt, dass ich es nicht
rechtzeitig schaffen würde. Das hatte ich ja auch tatsächlich nicht, aber eine halbe
Zauberflöte war immer noch besser als gar keine. |
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21.
Februar 2007, Zürich, Ruhetag und Besetzungsänderungen
Am 21. war sozusagen Ruhetag. Es bestand nämlich keine Gefahr, dass ein Sänger ausfiel,
da ein Ballett auf dem Spielplan stand. Ich verbrachte den Tag damit, die
Kritiken für die Zauberflöte zu sammeln und auf die Webseite zu bringen.
Auch ein Spaziergang am Greifensee bei für Februar ungewöhnlich warmem
Wetter war angesagt.
Am 21. erfuhren wir auch, dass Jonas Kaufmann noch die Zauberflöte am 23.
Februar singen würde und dass er die zweite Vorstellung des Don Carlo
abgesagt hatte. Fabio Armiliato war in der Stadt und bot sich als Ersatz
an. Diesen Tenor hatte ich schon ein knappes Jahr vorher in Wien im Don
Carlo gesehen und leider nicht in sonderlich guter Erinnerung behalten.
Das Merkwürdige war, dass ich damals die ganze Zeit gedacht hatte, wie
viel mehr mir die Vorstellung mit Jonas Kaufmann gefallen hätte.
Merkwürdig deshalb, weil ich Jonas Kaufmann erst kurz vorher das erste Mal bewusst
im Radio gehört hatte und zu der Zeit auch noch nicht wusste, dass sein Don
Carlo Debüt schon geplant war. |
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22. Februar 2007, Zürich, Don Carlo
Ich
kann mich nicht mehr so genau erinnern, was ich am 22. außer auf den Abend zu warten, gemacht habe, weiß aber noch, dass ich in der
Innenstadt war. Irgendwann am Mittag schaute ich mir das Plakat am
Opernhaus an, um mich zu vergewissern, dass es auch keine Änderungen bei
der Besetzung der Don Carlo Vorstellung geben würde. Ich stellte fest,
dass der Sänger des
Posa abgesagt hatte, statt Leo Nucci würde Vladimir Stoyanov diese Rolle
singen. Ansonsten gab es zu meiner großen Erleichterung keine weitere
Absage.
Meine opernbegeisterte Freundin, bei der ich wohnte, lebt in einem Vorort
von dem sie in 20 Minuten mit der S-Bahn nach Stadelhofen, also fast bis
direkt vor die Oper, fahren kann. Diese "opernverkehrsgünstige" Lage spielte
bei der Wahl ihres Wohnsitzes eine nicht untergeordnete Rolle. Natürlich
weiß sie genau, wieviel Zeit man braucht um zur S-Bahn zu gelangen, wann
und wie lange der Zug fährt, aber ich wurde trotzdem etwas ungeduldig und
fragte mich, ob es nicht vielleicht sicherer gewesen wäre, einen Zug
früher zu nehmen. Während meine Freundin sich in aller Seelenruhe
"opernfein" machte, saß ich wie auf Kohlen, meine Unruhe wuchs, und in
Gedanken sah ich uns schon den Zug verpassen. Schließlich fragte ich sie
nach der Abfahrtszeit. "In fünf Minuten, Zeit genug, aber du kannst
schon einmal vorgehen und dir eine Fahrkarte kaufen." Fünf Minuten
erschien mir nicht gerade lang und ich eilte zum S-Bahnhof. Meine Freundin
erschien als der Zug gerade in den Bahnhof einfuhr.
Ich war wahrscheinlich aufgeregter als Jonas Kaufmann, für den der Begriff
Lampenfieber wirklich ein Fremdwort zu sein scheint. Im Opernhaus
angekommen berichtete mir eine Bekannte, dass er ihr gerade über den Weg
gelaufen sei. Er habe etwas gesummt, es wäre aber mit Sicherheit nicht aus
Don Carlo gewesen.
Mir war bewusst,
dass Jonas praktisch überhaupt keine Zeit für Proben gehabt hatte, obwohl er
den Gesangspart natürlich schon vorher einstudiert haben musste. Vor
Beginn der Vorstellung trat Herr Pereira, der Intendant des Zürcher
Opernhauses, höchstpersönlich vor den Vorhang und
ich war nicht die einzige, die die Luft anhielt, bis er seine
Ansage gemacht hatte. Jonas Kaufmann sei etwas angeschlagen, da er in der
vergangenen Nacht mehr Zeit auf der Toilette als im Bett verbracht habe,
seine Stimme sei aber in Ordnung.
Es ging auch alles gut, selbst im langen Duett Don Carlo/Elisabetta
gab es keine nicht programmgemäßen Unterbrechungen und Jonas' Stimme war
tatsächlich voll
da. Schauspielerisch war es aber noch nicht der ganze Don Carlo.
Das merkte ich jedoch
erst, als ich die Inszenierung im letzten November wieder sah, dieses Mal
mit seinem vollen Einsatz, der aus der langweiligsten Inszenierung noch
eine interessante Rollenstudie hervorzaubern kann. |
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23. Februar 2007, Zürich, Tamino komplett
Am Nachmittag des 23. hatte ich das Glück, mein mittelprächtiges Ticket
aufzuwerten und konnte mich am Abend an einem Parkettplatz in der 7. Reihe und
einer kompletten Zauberflöte erfreuen. Ich wusste, dass ich sogar
geradezu unverschämtes Glück hatte, denn einige Fans würden erst am nächsten Tag
zum zweiten Don Carlo anreisen. Jonas musste nach fünf Vorstellungen in
sieben Tagen
ziemlich müde sein, aber man merkte ihm nichts an, weder seiner Stimme,
noch seinem Spiel. Bravo, Jonas!
24. Februar 2007, Zürich, Don Carlo Ersatz
Am 24. noch einmal Don Carlo, dieses Mal ohne Jonas. Meine Freunde und ich waren ziemlich
traurig, aber immerhin waren wir besser dran als viele andere, die Jonas
Kaufmann als Don Carlo sehen wollten und erst am 24. anreisten.
Vor dem Opernhaus traf ich einen Fan, der aus Belgien angereist war.
Ich erkannte ihn sofort, nicht an seinem langen Gesicht, sondern aufgrund
des Fotos, welches er mir geschickt hatte. Ich hatte ihn vorgewarnt, so
dass ihm der Schock über die Umbesetzung erst unmittelbar vor der
Vorstellung erspart blieb. Im Zuschauerraum musste auch noch ein Fan aus
Paris sein, dem ich ebenfalls eine Email geschickt hatte, um ihm die
Besetzungsänderung so schonend wie möglich mitzuteilen. Leider wusste ich
nicht, auf welchem Platz er sitzen würde. Von einem Foto wusste er wie ich
aussehe, aber das einzige, was ich von ihm wusste, war, dass er ein Bild
von Jonas als Handy-Logo benutzte. Als ich meinen Platz in der ersten
Reihe eingenommen hatte, schaute mich mein Sitznachbar ein paarmal von der
Seite an, holte dann sein Handy hervor und zeigte es mir. Auf dem Handy
prangte ein Bild von Jonas.
25. Februar 2007, Rückflug
Am 25. flog ich in aller Frühe zurück nach Deutschland. Meine nächste Opernreise war schon geplant. Seitdem habe
ich viele Aufführungen mit Jonas Kaufmann und ein paar sogar ohne ihn
gesehen, aber diese etwas verrückte Woche werde ich bestimmt nie
vergessen. |
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