Jonas Kaufmann – Wer ?
 
 
Diese Frage kann man unverständlicherweise bei uns in Wien immer noch hören. Und wenn man die Leute dann aufklärt, sind sie begeistert und verbringen Stunden auf „youtube“.

Ich war über 32 Jahre Mitglied des Wiener Staatsopernchores und im Sommer immer bei den Salzburger Festspielen engagiert, habe mit den bedeutendsten Dirigenten und Regisseuren wie Karajan, Bernstein und Ponelle Sternstunden erlebt. Ich kann nicht alle aufzählen, mit denen ich begeistert gearbeitet habe. Von den Sängerpersönlichkeiten will ich nur Carreras, Domingo, Freni, Baltsa, Cappuccilli, Ghiaurov erwähnen, wo ich in der Ersten Gasse stand, wenn ich nicht selbst auf der Bühne in Aktion war. Dann kam der Moment, wo mir nichts mehr gefiel, weil mir Persönlichkeiten abgingen, die mich gesanglich und darstellerisch fesselten. Die an der Rampe stehenden „Schreier“ habe ich abgelehnt, ebenso auch die „Schönsinger“, die mich völlig kalt ließen und immer noch lassen.

Und dann war da ein Junger, der immer wieder aufhorchen ließ, dessen Art zu singen und zu spielen ans Herz ging. In der Salzburger „Entführung“ von 2003 tat er mir aufrichtig leid, bei der fürchterlichen Inszenierung, wo wir – der Chor – zum Glück nur im Orchestergraben standen. Aber auch das hat er grandios gemeistert: Jonas Kaufmann. Leider war er in Wien nicht präsent, man hörte nur, wenn man aufmerksam war, hin und wieder im deutschen Fernsehen von ihm. Sein Debüt an der Wiener Staatsoper hatte er 2006 als Tamino an jenem Abend, als ich in meiner Garderobe meinen Abschied in die Pensionierung feierte. Und das war für mich zum Abschluss ein Tamino, so wie man ihn sich vorstellt, in jeder Hinsicht !!!

2008 sah ich Jonas dann als Florestan im Fernsehen – es war eine Aufnahme aus 2004 - und traute meinen Ohren nicht. Seine Vielseitigkeit war schier unglaublich, zumal die Florestan-Arie zu den schwierigsten Tenorarien überhaupt zählt, da sie sich so gewaltig in die Höhe schraubt. - Ich hörte schon einige gute Sänger dabei „eingehen“.
Nun war mein Interesse vollends geweckt. Da bestellte ich zuerst eine Karte für die Liedermatinee bei den Salzburger Festspielen 2009 und dann begann ich zu googeln und landete auf „youtube“ und u. a. auf der „unofficial web site“, die ich seither regelmäßig besuche.

Als ich im Jänner 2009 in Baden-Baden beim „Rosenkavalier“ im Chor engagiert war und ich mich von der „Romantic Arias“-CD hatte begeistern lassen, erfuhr ich, dass Jonas Kaufmann als „Sänger“ einspringt. Ja, und da stand ich dann wieder im 1. Akt hinter der Bühne vor dem Monitor und lauschte - Ich hatte mit ihm auch ein längeres Gespräch und erlebte ihn als liebenswerten Menschen, der völlig normal über sich spricht und auch die nötige Intelligenz für diesen doch so schwierigen Beruf aufbringt. Und ich hoffe und wünsche für ihn – und für uns – dass es so bleibt.

Da ich jetzt in Pension bin, meinen zweiten Wohnsitz in Salzburg habe und nur gelegentlich Chorengagements annehme, konnte ich auch nach München zum „Lohengrin“ reisen. Das regieliche Missvergnügen wurde durch Jonas’ hervorragende Leistung in stimmlicher wie auch schauspielerischer Hinsicht voll getilgt. ( Ich habe dieses „grausliche“ Haus auf der Bühne dann gar nicht mehr gesehen! ) – und ich freue mich schon auf die Fernsehübertragung am 26. Dezember 2009.

Glücklicherweise ist Jonas Kaufmann in Rundfunk und TV gebührend präsent, ich will nur den großartigen Don Carlos aus Covent Garden und den ergreifenden José kürzlich aus Mailand erwähnen. Leider gibt es auch Übertragungen auf Sendern, die wir in Österreich nicht empfangen können, z.B. HD Suisse (die Carmen aus Zürich 2008 hätte mich sehr interessiert). Aber 3sat und ARTE sind verlässlich….hoffentlich! Und dann sind da noch die CDs und die MP3 – Mitschnitte von „youtube“, die auf meinem MP3-Player geparkt und jederzeit abrufbar sind. Und was ich nicht oft genug hören kann, ist sein Pinkerton auf der neuen „Butterfly“-CD. In der Rolle würde ich ihn gerne auf der Bühne erleben, was leider bis jetzt nicht der Fall war.

Meine nächsten schon fixierten live Termine werden die „Königskinder“ in Zürich sein, dann das Verdi-Requiem zu Ostern in Salzburg, „Carmen“ und „Tosca“ in München und der Liederabend im August in Salzburg.

Und nun hoffe ich, dass er auch ständiger Gast in Wien wird. „Manon“ und „Tosca“ waren heuer ja großartig, aber viel zu wenig. Und dann wird die im Titel gestellte Frage wohl auch hier der Vergangenheit angehören.

(Eine ganz persönliche Betrachtung zu Jonas Kaufmann)

Ingeborg aus Wien 18.12.2009


 
 
 
 



 
 
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