Neue Luzerner Zeitung, 18. Mai 2015
Antonio Russo
 
Operette, Tournee ab 15. April 2015
 
Riskante "Clubatmosphäre" im Separee
 
KKL: Der Startenor für einmal ganz unbeschwert: Jonas Kaufmann warb erotisch und verschmitzt, aber nie schwülstig, für die Operette.

«Wir gehen auseinander, morgen singt hier ein andrer » Mit dieser textlich leicht veränderten Liedzeile aus «Frag nicht, warum» von Robert Stolz verabschiedete sich Jonas Kaufmann am Samstagabend augenzwinkernd vom stehend applaudierenden Publikum im ausverkauften Konzertsaal des KKL. Der Operettenhit aus dem Tonfilm «Das Lied ist aus» (1930) ist einer der popularen Schlager von damals, mit denen der weltweit gefeierte Tenor für das oft unterschätzte Genre eine Lanze bricht.

Mikrofon-Intimität
Anders als bei der im Herbst erschienenen CD «Du bist die Welt für mich» unterstützte ihn beim einzigen Tourneehalt in der Schweiz nicht das Rundfunksinfonieorchester Berlin, sondern dasMünchner Rundfunkorchester, das unter dem differenzierten Dirigat von Jochen Rieder überzeugte.

Mit Ausnahme der wienerischen «Gräfin Mariza» lag der Schwerpunkt der Auswahl auf der Berliner Operette der 20er- und 30er-Jahre. In jener Zeit wurden das Radio und erste Tonfilme populär. Und Operettenstars wie die Sänger Richard Tauber und Joseph Schmidt oder die Komponisten Emmerich Kalman, Paul Abraham und Leon Jessel feierten grosse Erfolge, bis sie von den Nazis wegen ihrer jüdischen Abstammung als Vertreter «entarteter Musik» verfolgt wurden.

Er wolle in einigen Liedern eine «Clubatmosphäre» schaffen, erklärte Kaufmann vor Konzertbeginn die Anwesenheit des Mikrofons auf der Bühne. Bei Stücken wie «Gern hab' ich die Frau'n geküsst» aus Lehárs Operette «Paganini» sorgte dessen Einsatz für eine intimere Separee-Atmosphäre, zu der das grosse, aber nuancenreich aufspielende Orchester ebenso viel beitrug.

Comeback der Operette
Wer Jonas Kaufmann in grossen Opernrollen hat singen hören und sterben sehen, konnte sich entspannt zurücklehnen und die «Unbeschwertheit und positive Energie» geniessen, wie es eine Konzertbesucherin formulierte. Denn der «Held» musste sich keinen Intrigen und Mordkomplotten á la Verdi, Wagner oder Puccini aussetzen Stimmlich allerdings birgt das nur scheinbar einfache Operettengenre durchaus Gefahren. Die grösste dabei ist wohl jene, diesen Liedern mit marzipansusser Klebrigkeit und schluchzendem Pathos zu begegnen. Doch Kaufmann weiss seine Stimme in jedem Moment so einzusetzen, dass sie immer charmant, erotisch und verschmitzt herüberkommt - aber nie schwülstig. So konnte man sich über die genussvoll ausgeführten Rubato-Stellen, die perfekte Artikulation oder die immer wieder hauchzart in die Höhe geführten Töne freuen und durfte sogar einer «Weltpremiere» beiwohnen, als Kaufmann flugs das Dirigat eines Marsches von Stolz übernahm. Mit weiteren Überraschungen darf man rechnen. In nicht allzu ferner Zukunft, so Kaufmann kürzlich in einem Interview, wolle er wieder die «Fledermaus» singen. Die Operette feiert offensichtlich ein Comeback.








 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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