Im Rahmen seiner Tournee „Du bist die Welt für mich“
gastierte der Münchner Star-Tenor Jonas Kaufmann am Montagabend in
der Berliner Philharmonie.
Eigentlich nimmt man
diesem Schöner-Mann-Tenor aus München alles ab, was das Rollenfach
so hergibt. Und er hat sie ja auch alle gehabt – nicht die Frauen,
sondern die Rollen, in denen es um die Frauen geht. Allen voran den
„Rodolfo“ (La Bohème), den „Alfredo“ (La Traviata) und, und, und …
Jonas Kaufmann (45) hat sich aber vergangenes Jahr einfach mal
abgesetzt und ist vom Romantik- Italien-Helden-Tenor in die
beschwingte Walzer-und-Operettenseligkeit von Franz Léhar gerauscht,
als gäbe es keine Mauern zwischen (Op)„er“ und (Oper)„rette“. Und
das stimmt ja auch. Der Tenor – auch in der Operette – muss nur „die
Liebe in Moll und in Dur“ können (sagt Franz Léhar). Und das kann
Kaufmann ja. Einer, der stimmlich Riesenpartien schultert (Wagner
rauf und runter). Eher ist die Frage, wie springt so einer zurück,
wenn es um den nostalgischen Schmelz von Kompositionen der
“Roaring–Twenties” geht. Denn die standen ja am Montag auf dem
Programm seiner Tournee „Du bist die Welt für mich.“
Das
klingt ja ganz anders, zurückgenommener, reduzierter. Die ganze
Urgewalt einer großen Partie braucht es hier nicht (immer). Es geht
um einen gewissen Swing, einen bestimmten Drive. Da, wo er sie
braucht, hilft sie ihm selbstredend vortrefflich: Aus dem Piano
dramatisiert er sich in schönste Höhen. Triumphal bisweilen gestern
bei “Dein ist mein ganzes Herz!” aus Franz Léhars unvergessener
Operette “Das Land des Lächelns”, das gerade den
weltwirtschaftskriselnden Berlinern in den 1929/30er-Jahren einen
gewissen Trost brachte.
Ja! Es geht natürlich um
Versponnenes, Verträllertes, Verwickeltes. Erotisches: “Schatz, ich
bitt Dich …Hab ein blaues Himmelbett”, oder “Im Traum hast du mir
alles erlaubt” (Robert Stolz). Das ist dann auch das Motto für
Kaufmann: “Mehr Parlando, als Glissando!“ Und auch mal einen
Gluckser wie bei Richard Tauber. Oder beim „Weißen Rössl“ eine Reihe
kleiner verschmuster Peter-Alexander-Hüpfer „Es muss was Wunderbares
sein, von dir geliebt zu werden….“ Dieses plötzliches Innehalten
(Ritunento), das so typisch ist.
Der charmant, aparte
Lockenkopf klopft denn auch den Anneliese-Rothenberger-Staub aus den
alten Kleidern von Liedern wie Hans Mays „Ein Lied geht um die Welt”
– schlank, strahlend und glitzernd flogen die Töne, wie auf einem
Samtkissen gedämpft durch die Philharmonie.
Da muss man auch
Spielfreude haben, Lust auf Spielerei, Darstellerei, bisweilen
Koketterie: Das hat er ja schon mal gemacht, als Caramello in der
„Nacht in Venedig“ oder als Alfred in „Die Fledermaus.“ Nur Singen
ist da nicht. Da muss auch geschwoft werden, geredet, gelacht,
markiert. Vor 20 Jahren war das der Kaufmann an den Bühnen von
Saarbrücken und Regensburg.
Es ist schön zu sehen, wie
Kaufmann bereit ist, sich einen Zacken aus der Welt-Opern-Star-Krone
zu brechen. Natürlich nur, weil er weiß, er bricht nicht. Denn er
füllt die Philharmonie und diesen musikalischen Gang in die “Revue
nostalgique“ wunderbar leichtstimmig und schmelzig aus. Ovationen
und Blumen!