Der Standard, 15. Mai 2015
Daniel Ender
 
Operette, Tournee ab 15. April 2015
 
Jonas Kaufmann: Edelmetallinflation und das große Du
 
Der deutsche Tenor vor dem Mikrofon und seiner Fangemeinde im Konzerthaus
 
Gemäß kapitalistischer Logik erhöht minimierter Aufwand bei maximierter Produktzahl den Gewinn. Insofern folgen die neue CD und die dazugehörige Tour (meist im Zweitagesrhythmus) von Tenor Jonas Kaufmann kommerziellen Prinzipien. Dazu passt es, dass das Repertoire der "Silbernen" Operettenzeit im Werbetext gleich etwas skurril als "Melodien einer goldenen (!) Ära" verkauft wird.

Und dazu passt, dass der Sänger erstmals - in sieben von neun Nummern des offiziellen Programms und in allen Zugaben - Verstärkung durch das Mikrofon in Anspruch nahm (was er in einer Verlegenheitsansprache mit irreführendem Charme und fadenscheinigen Argumenten zu entschuldigen versuchte).

In Wahrheit war dafür wohl ausschlaggebend, dass er seine Kräfte schonte - und dass er sich nicht nur mit einem tragfähigen Piano schwertut, sondern auch ansonsten stellenweise nur mit Anstrengung über das Orchester gekommen wäre. Das lag nicht nur daran, dass Dirigent Jochen Rieder seine Aufgabe eher mechanisch versah, weniger als Begleiter denn als Organisator von Brachialeffekten. Die setzte das draufgängerisch-inhomogene Münchner Rundfunkorchester mit viel Aplomb, aber wenig Gespür für die Feinheiten und nötigen Freiheiten bei Franz Lehár oder Emmerich Kálmán um.

Kaufmann selbst hätte wesentlich mehr von diesen Feinheiten, und hauchte wohl viele Nuancen ins Mikro. Allerdings kamen sie reich-lich verwaschen aus den Lautsprechern. Die Schönheiten seiner baritonalen Stimme ließen sich da nur erahnen - und sein Input zuweilen nur erraten. Sei's drum: Denn wirklich wichtig ist die Nachricht, dass Kaufmann am Ende des Abends eine Goldene Schallplatte seines Labels überreicht bekam und er auch noch höchstpersönlich die Gewinner eines Preisausschreibens des Sponsors bekanntgab.

Wie der Sänger allerdings die letzte Zugabe Frag nicht, warum ich gehe aus der Robert-Stolz-Operette Zwei Herzen Im Dreivierteltakt umtextete und das Publikum mit einem großen Duzen umarmte, war tatsächlich virtuos. Der CD- und Tourneetitel Du bist die Welt für mich bekam dadurch ebenfalls eine neue Bedeutung. (Daniel Ender, 15.5.2015)







 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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