Hamburger Abendblatt, 24.04.15
Verena Fischer-Zernin
 
Operette, Tournee ab 15. April 2015
 
Wie ein Tenor den Frühling herbeisingt
 
Jonas Kaufmann verzückt vor allem den weiblichen Teil seines Publikums in der Laeiszhalle mit Operettenarien und Chansons
 
Wer sich so abendfüllenden, anspruchsvollen und textlich wagnermäßig verschwurbelten Partien stellt wie "Lohengrin" – der darf auch der leichten Muse frönen. Jedenfalls wenn er es so brillant macht wie Jonas Kaufmann, der deutsche Tenor mit dem waffenscheinpflichtigen Latino-Charme, für Fans: "der Jonas". Wann hätte die Laeiszhalle je so gesummt und geschwirrt? Strahlende Gesichter, Frühlingsfarben, die Erwartung ist förmlich zu greifen. "Du bist die Welt für mich", nach dem Schlagertitel von Richard Tauber, hat Kaufmann seine CD mit Operettenarien und Chansons der goldenen 20er- und frühen 30er-Jahre überschrieben, der Hamburger Abend ist sozusagen Teil einer inoffiziellen Promo-Tour.

Aber den Gedanken daran, dass Kaufmann in Luzern, Paris oder Dortmund andere Frauen ansingen könnte als uns, die weibliche Hälfte des Publikums, nein, wohl eher die weiblichen drei Viertel, diesen beunruhigenden Gedanken schieben wir entschlossen beiseite. Denn wenn der Lockenkopf "Schatz, ich bitt dich, komm heut nacht" aus Franz Lehárs Operette "Frasquita" ins Mikro haucht, immer schön elastisch aus den Knien, dann geht ein leises, aber intensives Seufzen durch die Reihen. "Alles ist bereit gemacht für ein Stelldichein", heißt es im Text, "kein Laut uns stört, kein vis-a-vis, ein Mondenstrahl ganz verstohlen nur späht, doch was er sieht, er nicht verrät." Hui. Für jeden dieser hinreißend anzüglichen Verse findet Kaufmann eine noch feinere Duftnuance, jeden Spitzenton liebkost er anders – immer aber mit dem Kaufmann-typischen, etwas gaumigen Piano-Timbre.

An seinem Hauptberuf, Opernsänger eben, lässt Kaufmann keinerlei Zweifel. "Freunde, das Leben ist lebenswert", schmettert er nach dem einleitenden Walzer aus Lehárs "Guiditta" und lässt seine kraftvolle Höhe strahlen, und der erste Geiger des Münchner Rundfunkorchesters umspielt ihn derart virtuos, als hätte bei der Komposition Richard Strauss Pate gestanden.

So ist das eben mit den Operettenkomponisten. Sie gelten wenig in der Welt der sogenannten Ernsten Musik. Wie witzig, wie geistreich und alles andere als plump die Frivolität eines Emmerich Kálmán, Hans May oder Robert Stolz ist – geschenkt, auch wenn manch Norddeutscher darüber weiter die Nase rümpfen wird (sollte er diesen Abend verpasst haben). Aber wie sehr die Wirkung der Musik von Feinheiten lebt, das kann der Hörer nur wahrnehmen, wenn es jemand so kongenial vorführt. Das Orchester ist eine Luxuskarosse für dieses Repertoire. Die Nachschläge im Walzertakt kommen so butterweich und gerade nicht mathematisch genau, wie das der Wiener Schmäh braucht. Es duftet nach Flieder, nach Frühlingsnächten, nach heimlichen Rendezvous. Der Dirigent Jochen Rieder kann den Klang so mühelos aufziehen, wie eine Dame ihren Fächer öffnet. Nobel klingen die Streicher, weich und grundtönig die Bläser, und das Ganze rahmen Triangel und Glöckchen ein wie mit einem feinen Silberdraht.

Standing Ovations, Blumen, Geschenke, Zugaben. Als Kaufmann die Zeilen "Frag nicht, warum ich gehe" aus "Das Lied ist aus" anstimmt, da lacht der ganze Saal. Ja, wir Hamburgerinnen sind großzügig. Wir können ihn teilen, unseren Jonas.





 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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