Stuttgarter Nachrichten, 21.04.2015
Verena Großkreutz
 
Operette, Tournee ab 15. April 2015
 
Geige, Puszta und ein kleines Glaserl Wein
 
Er kann auch Operette: Der Tenor Jonas Kaufmann hat das Publikum im Stuttgarter Beethovensaal mit seiner Stimme begeistert.
 
Auch Operette zu singen bedeutet für einen Startenor Arbeit. So leicht sind Franz Lehár & Co. nicht zu singen. Und den finalen Hochtönen, die Jonas Kaufmann treffsicher in den tosenden Applaus und in die Bravorufe seiner Fangemeinde hineinstemmt, hört man ihren Schwierigkeitsgrad durchaus an. Glitzerblitzersilbrigblank strahlen sie am Sonntagabend nicht.

Ansonsten aber gibt sich der Mittvierziger, dessen derzeitiger Marktwert sich auch in der aufdringlichen Drum-herum-Show eines bekannten Autoherstellers widerspiegelt, gut gelaunt und entspannt. Er ist gerade in Deutschland auf Operettentournee und machte jetzt auch Station im ausverkauften Stuttgarter Beethovensaal.

Im Publikum dominieren eindeutig die Ü-50-Damen. Mit Opernfernglas fixieren einige den smarten Wuschelkopf bei der Arbeit, der mal wieder Dreitagebart trägt. Ein paar von ihnen singen die Operetten-Hits stumm mit, sie kennen wohl Kaufmanns aktuelle CD „Du bist die Welt für mich“ in- und auswendig.
Brillante Instrumentierung, musikalischer Witz, plötzliche Tempowechsel

Zum Glück hat Kaufmann ein exzellentes Operettenorchester bei sich, das Münchner Rundfunkorchester, das sich mit der leichten Muse sehr gut auskennt. Hier und da driften die Instrumentengruppen ein bisschen auseinander. Aber ansonsten funktioniert die Zusammenarbeit mit Gastdirigent Jochen Rieder sehr gut: Die brillante Instrumentierung, der musikalische Witz, die plötzlichen Stimmungs-, Tempo- und Metrumwechsel: All dies kommt bestens zur Geltung.

Ja, das Orchester muss geschmeidig, flexibel, sensibel sein, um diese Musik zu ihrem Recht kommen zu lassen. Vor allem in den Instrumentalnummern – also ohne Kaufmann – geben die Münchner dem Affen Zucker: In Lehárs „Ballsirenen“-Walzer aus der „Lustigen Witwe“ etwa oder in der wirklich wunderbar gespielten Ouvertüre zum „Land des Lächelns“ – da reißt das Münchner Rundfunkorchester mit, protzt mit Klangfarben und schönem, sehr durchsichtigem Zusammenspiel.

Keine Frage: Es ist Frühling in Wien, zu hören an den zwitschernden Flöten, schmetterlingshaften Harfenkaskaden, sanft summenden Trommelwirbeln, sinnlich-schmachtenden Trompeten und einem Streichersound wie frischer, luftiger Schlagobers.

Hier wird kein Gefühlskitsch (re-)produziert

Was den Abend wachsen lässt, ist die Tatsache, dass hier kein Gefühlskitsch (re-)produziert wird – was ja einfach wäre bei Nummern wie „Gern hab’ ich die Frau’n geküsst“ aus Lehárs „Paganini“ oder „Dein ist mein ganzes Herz“.

Jonas Kaufmann – intelligent, reflektiert – stellt sein dunkles, volles, baritonales Timbre und dessen sinnlichen Schmelz in den Dienst der Gestaltung, verleiht selbst Emmerich Kálmáns „Grüß mir mein Wien“ aus der „Gräfin Mariza“ ein tiefsinnig-melancholisches Flair: „Wenn der Geige Lied von der Puszta klingt, sitz’ ich oft allein hier bei dem Glaserl Wein“ klingt so gar nicht herzig-verbrämt, bräsig-provinziell, sondern eben wirklich nach fieser Einsamkeit.

Ein Highlight ist schließlich „Schatz, ich bitt’ dich“ aus Lehárs „Frasquita“: „Hab ein blaues Himmelbett, drinnen träumt es sich so nett! Aber nicht allein, geh, sag nicht nein!“ Kaufmann singt’s durchaus kokett, aber eben auch so, dass ein Trauerflor darüberliegt: Das bittere Ende dieser Affäre ist so sicher wie das Amen in der Kirche.





 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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