Das Konzerthaus Dortmund platzte fast aus allen Nähten, als
Jonas Kaufmann am Freitag das Podium betrat und die Herzen im Nu
eroberte. Kein Wunder, denn der charmante Star-Tenor entführte in
eine Welt, die mal nicht von Wagner oder Puccini geprägt war.
Kaufmann sang Operette. Franz Lehár, Emmerich Kálmán, Robert Stolz.
Musik also, die bis vor einigen Jahren noch schräg angeschaut wurde.
Weil sie doch immer so kitschig ist, so sentimental.
Mit
diesen Vorurteilen räumt Kaufmann auf. Er nimmt die „Gassenhauer“
der 1920er und 30er Jahre ernst und macht aus ihnen zusammen mit dem
Münchner Rundfunkorchester unter Jochen Rieder große Musik. Das sind
Titel wie „Freunde, das Leben ist lebenswert“, „Dein ist mein ganzes
Herz“ oder „Grüß mir mein Wien“ ja auch: gut erfundene Melodien,
fantasievoll orchestriert von Komponisten, die ihr Handwerk
verstanden. Wenn jemand wie Jonas Kaufmann sie singt, adelt das ein
ganzes Genre: das der Operetten- und Filmmusik.
Natürlich ist
es auch diese Stimme, ihr flexibles Timbre, mit dem Kaufmann sich
als Tenor von unverwechselbarer Ausstrahlung erweist. Strahlend bis
in höchste Höhen, dabei mit baritonaler Färbung. So etwas gibt es
derzeit kaum ein zweites Mal. Vielleicht nicht jedermanns Geschmack,
auch nicht, wie Kaufmann manche Piano-Phrase in der Höhe fahl und
hauchig anlegt. Aber das ist sein Stil. Und der wirkt, nicht nur bei
Richard Wagner, sondern auch in Richard Taubers „Du bist die Welt
für mich“.
So ganz nebenbei stellt Kaufmanns Programm auch
unterschwellig die Frage, was gewesen wäre, hätte es die braune
Barbarei nicht gegeben. Vor der sind fast alle geflohen, die
Operette geschrieben hatten.