Westfälische Nachrichten, 19.04.2015
Christoph Schulte im Walde
 
Operette, Tournee ab 15. April 2015
 
Richard Tauber statt Richard Wagner
 
Ehrenrettung der Operetten- und Filmmusik

Das Konzerthaus Dortmund platzte fast aus allen Nähten, als Jonas Kaufmann am Freitag das Podium betrat und die Herzen im Nu eroberte. Kein Wunder, denn der charmante Star-Tenor entführte in eine Welt, die mal nicht von Wagner oder Puccini geprägt war. Kaufmann sang Operette. Franz Lehár, Emmerich Kálmán, Robert Stolz. Musik also, die bis vor einigen Jahren noch schräg angeschaut wurde. Weil sie doch immer so kitschig ist, so sentimental.

Mit diesen Vorurteilen räumt Kaufmann auf. Er nimmt die „Gassenhauer“ der 1920er und 30er Jahre ernst und macht aus ihnen zusammen mit dem Münchner Rundfunkorchester unter Jochen Rieder große Musik. Das sind Titel wie „Freunde, das Leben ist lebenswert“, „Dein ist mein ganzes Herz“ oder „Grüß mir mein Wien“ ja auch: gut erfundene Melodien, fantasievoll orchestriert von Komponisten, die ihr Handwerk verstanden. Wenn jemand wie Jonas Kaufmann sie singt, adelt das ein ganzes Genre: das der Operetten- und Filmmusik.

Natürlich ist es auch diese Stimme, ihr flexibles Timbre, mit dem Kaufmann sich als Tenor von unverwechselbarer Ausstrahlung erweist. Strahlend bis in höchste Höhen, dabei mit baritonaler Färbung. So etwas gibt es derzeit kaum ein zweites Mal. Vielleicht nicht jedermanns Geschmack, auch nicht, wie Kaufmann manche Piano-Phrase in der Höhe fahl und hauchig anlegt. Aber das ist sein Stil. Und der wirkt, nicht nur bei Richard Wagner, sondern auch in Richard Taubers „Du bist die Welt für mich“.

So ganz nebenbei stellt Kaufmanns Programm auch unterschwellig die Frage, was gewesen wäre, hätte es die braune Barbarei nicht gegeben. Vor der sind fast alle geflohen, die Operette geschrieben hatten.




 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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