Debüt statt mit Wagner oder Verdi mit Edelschmelz der Operettenwelt. Das Publikum im Dortmunder Konzerthaus feierte Tenor Jonas Kaufmann dafür.
Es ist sein Debüt. Doch Jonas Kaufmann kommt nicht als
strahlender Wagner-Held oder schmachtender Verdi-Tenor. Vielmehr
bedient er am Freitag im Dortmunder Konzerthaus das Fach der
Nostalgie. Mit Arien des oft totgesagten Genres Operette und
Filmschlagern der Jahre 1905 bis 1934, allesamt bekannte Evergreens
und deshalb so recht nach dem Geschmack des Publikums im prallvollen
Saal.
Kaufmann braucht keine Aufwärmphase. „Freunde, das
Leben ist lebenswert“ schmettert er uns gleich zu Beginn entgegen,
als gelte es, nicht Lehár, sondern Gustav Mahlers „Lied von der
Erde“ zu interpretieren. Die kraftvollen Höhen seiner Stimme, die er
gewissermaßen aus der Hüfte feuert, leuchten in allem Glanz. Das
überrascht umso mehr, weil der Sänger doch ein ausgesprochen
baritonal gefärbtes Timbre hat.
Markant und
balsamisch zugleich
Doch für Kaufmann ist das kein
Problem. Ohne Ansatz singt er die tenoralen Höhepunkte heraus.
Andererseits weiß der Sänger die dunklen Farben weidlich für sich zu
nutzen, sei es markant, etwa in Richard Taubers „Du bist die Welt
für mich“, oder als balsamische Grundierung, wie in Lehárs „Gern hab
ich die Frau’n geküsst“. Dass er hin und wieder kleine Schluchzer
einbaut, ist eine verzeihliche Manier.
Gleichwohl bleiben
Fragen. Die nach der dynamischen Balance etwa, weil das Münchner
Rundfunkorchester und Dirigent Jochen Rieder es nicht nur bei
Ouvertüren und Zwischenspielen ordentlich krachen lassen, sondern
auch den Sänger gern zudecken. Kaufmanns schönstes Legato und
gewissenhafteste Diktion garantieren deshalb nur bedingt
Textverständlichkeit.
Manchmal fehlt ein wenig die
Leichtigkeit
Daraus aber ergibt sich die Frage nach
der Authentizität. Denn oft fehlt diesen Operettenschmankerln
Leichtigkeit, Charme, Esprit. Und wenn Kaufmann die in vielen
Stücken geforderten, halblauten Höhen ausmalt, wirkt die Stimme
bisweilen angeraut. Ein Heldentenor, der sich offenbar nicht ganz
wohlfühlt im neu gewählten Genre.
Plötzlich aber geschieht
Außerordentliches: Die Ouvertüre zu Lehárs „Land des Lächelns“
leuchtet beim Spiel des Münchner Orchesters in schönsten Farben, die
Dynamik ist ausgewogen, der Klang transparent. Und wenn dann Jonas
Kaufmann „Dein ist mein ganzes Herz“ zelebriert und eben mit allem
Herzblut beschwörend heraussingt, ist das Publikum ganz aus dem
Häuschen. Und die Operette – ja, sie lebt.