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Hamburger Abendblatt, 13.5.2023 |
Joachim Mischke |
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Konzert, Hamburg, Laeiszhalle, 12. Mai 2023
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Ein Tenorissimo der Herzen |
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Ovationen für Jonas Kaufmann und die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in der Laeiszhalle |
Mal abgesehen davon, dass er von seinen Fans allen Alters auch für das
Vorsingen eines vergilbten Telefonbuchs aus Wiesbaden bejubelt würde: Jonas
Kaufmann hätte es sicher einfacher, und vor allem populärer machen können
als mit dieser Programmzusammenstellung. Italienische Opernarien,
italienische Opernarien und noch mal nichts als italienische Opernarien das
hätte als übel übersüßtes Dolci-Desaster im grünweißroten Klischee enden
können, alles ganz knapp vor "Fernsehgarten"-Mitschunkeln:
Doch
Kaufmann sang und strahlte lieber auch dorthin, wo es interessanter und
unbekannter wurde. Die Herausforderung sollte sich ja schließlich lohnen.
Also: Verdi einerseits und Verismo andererseits, Mittelbekanntes und
Exemplarisches aus Opern wie Giordanos "Fedora" oder Cileas "L'Arlesiana"
ausgewählt, die nun wirklich keine Dauergäste in den Spielstätten sind.
Dass der inzwischen auch stimmlich dekorativ grau melierte Tenorissimo
der Herzen sich seinen Hamburger Tourneetermin nicht in den Großen Saal der
Elbphilharmonie gelegt hat, sondern in den der Laeiszhalle, ist nicht nur
aus seiner Sicht verständlich. Anderes Ambiente, beherrschbarere Akustik.
Die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, ab Mezzoforte aufwärts gern
solide wuchtbrummig unterwegs, und Kaufmanns Stammdirigent Jochen Rieder
hatten dort aber hin und wieder schon ihre liebe Mühe mit der
Lautstärke-Balance und der dennoch unabkömmlichen Leichtigkeit, sobald
Verdi, ganz im Eifer seiner dramatischen Gefühlswogen, orchestral in die
Tutti-Vollen geht.
Er litt, liebte, wütete und grämte sich wieder und
wieder ins Leere
Doch Kaufmann stand bereits ganz vorn an der Rampe,
an ihm lag es also nicht, wenn nicht alles die verdiente Aufmerksamkeit und
Klarheit bekommen konnte. Man war hier nicht nur gehorsam begleitende
Klangtapete für den Auftritt des Stars im Frack, mit den jeweils passenden
Orchestereinleitungen zu den Arien sollte auch eingestimmt werden. Das
gelang mal mehr, mal weniger mittelgut; interessanterweise wurden gerade die
Nicht-Verdi-Kostproben geschmeidiger und weniger pauschal in den Saal
behauptet. Zum Aufwärmen der Stimmung begann Kaufmann mit Verdis "Celeste
Aida", schon dort durch seinen sanft abgedunkelten Ton mit dem kräftigen
Kern interessant gereift. Die charismaverstärkenden Jahresringe stehen
dieser Stimme, auch wenn die Leichtigkeit in der Höhe so ganz und gar leicht
nicht immer wirkte. In der gehobenen Mittellage jedoch ist dieser Tenor,
sobald er sich entspannt ins Genießen seiner Kunst fallen lässt, mit seiner
satten Durchsingkraft, die ihre Reserven punktgenau abrufen kann, eine
Wonne.
"Dio! Mi potevi scagliar" aus "Otello" ließ eine Bühne und
eine einordnende Inszenierung deutlich vermissen, so blieb es bei einer
starken Szene, nur leider ohne würdigenden Rahmen. Schade, dass es über die
gesamte Konzertdauer nichts und niemanden aus Fleisch und Blut als Gegenüber
gab. Kaufmann litt, liebte, wütete und grämte sich wieder und wieder ins
Leere. Er blieb als nun mal einziger Protagonist, egal in welcher
Handlungsetappe, ungespiegelt, unherausgefordert, unwidersprochen.
Auch der zweite Teil wurde mit einem Opern-Ohrwurm eingeleitet, nach dem
Prolog aus Leoncavallos "I Pagliacci" folgte das berühmte, tragischdramtisch
aufgeheizte "Vesti la giubba" des traurigen Clowns, in dem Kaufmann nobel
und aufrecht gestaltend blieb und diesen Schmerz nicht ständig in
pathetischen Schluchzern ertränkte, weil es sich gerade so dankbar anbot.
Aus Giordanos "Fedora" schaffte es einzig ein Orchesterstückchen als
Füllmaterial ins Sortiment, die Renommier-Arie "Amor ti vieta" blieb
ungesungen, interessanter Ersatz dafür war ein anderes Schmachtstückchen aus
diesem dankbaren Genre, aus Cileas "L'Arlesiana".
Bevor Kaufmann und
sein Orchester, stürmisch und mit stehenden Ovationen gefeiert, in den
ausgiebigen Zugabenteil abbogen, rundeten das herzschmerzschöne Intermezzo
und das finale "Mamma, quel vino e generoso" aus Mascagnis "Cavalleria
rusticana" diesen Auftritt ab.
Aber einer, einer aus der Zuckerl-Dose
ging ganz am Ende schon noch rein: das sonnige, zeitlos zu Herzen gehende
"Non ti scordar di me", die Geigen säuseln herzig zum "Vergiss mein nicht",
die Spitzentöne sitzen, das Leben als Tenor kann auch mal nur so schön sein.
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