Frankfurter Rundschau, 22.05.2023
Von: Judith von Sternburg
 
Konzert, Frankfurt, Alte Oper, 21. Mai 2023
Jonas Kaufmann in Frankfurt: Der holde Tenor
 
Jonas Kaufmann mit milden Arien von Verdi und aus dem Verismo.

Jonas Kaufmanns Tenor hat zwar das warme Timbre eines Baritons, aber die Höhe sitzt und die Tiefe ist im Grunde gar nicht vorhanden. Das zeigte sich in der Alten Oper Frankfurt, wo er erneut Tonios „Prolog“ aus Leoncavallos „Bajazzo“ sang wie schon im vergangenen Sommer in Wiesbaden, diesmal aber wirklich ohne überzeugende Tiefe, während die hohen Töne, die einen Bariton schwer herausfordern, Kaufmanns strahlender Mittellage entgegenkamen.

Dass man nicht zweimal dasselbe Lied singt, zeigte sich mehrfach an diesem feinsinnigen Arienabend im Pro-Arte-Konzertprogramm. Vielleicht zeigte sich auch eine gewisse Erschöpfung nach einer engmaschigen Mini-Tour mit Verdi- und Verismo-Nummern, die nun beim sechsten Termin in Frankfurt ihr mildes, für den Tenor aber gewiss anstrengendes Ende nahm. Es ist ja immer faszinierend, Jonas Kaufmann bei der Arbeit zuzusehen, die er blendend bewältigt, aber die er auch leisten muss. Jeder Ton ein Kunstwerk, die opulenten tenoralen Ausbrüche nicht kärglich, aber doch ökonomisch und ganz gezielt eingesetzt. Hier ist einer, der sich nicht verschwendet, dafür aber mit so gut funktionierender Technik zu Werke geht, dass alles passt. Es blieb gleichwohl in Frankfurt eine Unsicherheit, ob die deutlichen Brüche zwischen den zart linierten, ins Falsetthafte gehenden Passagen und dem Brustton des großen Tenors ausschließlich künstlerische Entscheidung oder doch auch einer Vorsicht geschuldet waren. Jedenfalls demonstrierte Kaufmann keine Kraftmeierei, hatte auch die Auswahl so angelegt, dass Innigkeit vorging: Angefangen beim seinerseits sehr holden „Celeste Aida“ des Radames aus „Aida“ bis zum abgründigen Otello-Monolog im Giuseppe-Verdi-Block. Alles Tschingderassa blieb hier den Orchesterstücken vorbehalten, was die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter Jochen Rieder auch vergnügt als ihren Part annahm.

Kaufmanns Freude an und Sinn für Finesse kam der zweite Teil noch mehr entgegen, als Tonio und Canio in Personalunion, als lamentierender Federico aus Francesco Cileas „L’Arlesiana“ und schließlich jammernder Turridu aus Mascagnis „Cavalleria rusticana“. Stimmliche Bewegtheit und psychologisches Drama war für den Gestaltungswillen des Sängers gleichermaßen ideal, kein Abend für Protzerei, auch wenn es in den Zugaben mit einigen schönen Liedern noch einmal richtig gemütlich wurde.





 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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