Das Salzburger Publikum lag dem Maestro mal wieder zu Füßen. In
einer umjubelten Premiere eröffnete Christian Thielemann, Chef der
Sächsischen Staatskapelle Dresden und in dritter Saison
Künstlerischer Leiter der Salzburger Osterfestspiele, am
Samstagabend im Großen Festspielhaus das Festival.
Im Gepäck
hatte er eine Neuproduktion - ein Doppelpack: die Verismo-Opern
„Cavalleria rusticana” von Pietro Mascagni und „Pagliacci” von
Ruggero Leoncavallo, besser bekannt als „Der Bajazzo”. Verismo ist
die italienische Variante des Naturalismus und brachte Ende des 19.
Jahrhunderts das normale Volk auf die Opernbühne.
Ein
Schatten von Ungewissheit schwebt über den Osterfestspielen 2015. In
gut einem Monat wählen die Berliner Philharmoniker den Nachfolger
von Sir Simon Rattle. Für die Chefposition bei einem der besten
Orchester der Welt gilt Thielemann als Top-Favorit. Was wird aus den
Osterfestspielen, wenn er gewählt würde?
Rattle ging 2013 mit
den Berliner Philharmonikern nach Baden-Baden und begründete dort
eine neue Osterfestspieltradition. Würde sie dort von Thielemann
fortgesetzt? Oder würde er mit den Berlinern nach Salzburg
zurückkehren, wo Herbert von Karajan das Festival 1967 gegründet
hat? Und könnten die Sachsen als Residenzorchester der Salzburger
Osterfestspiele ohne das Zugpferd Thielemann auf Dauer reüssieren?
Fragen über Fragen, die einstweilen im Jubel untergingen. Der
galt auch Startenor Jonas Kaufmann, der am Samstag gleich in zwei
Rollen debütierte. In der „Cavalleria” gab Kaufmann den Turiddu, im
„Bajazzo” den Canio.
Kaufmann ist kein Strahle-Tenor à la
Pavarotti. Trotzdem passt sein baritonal gefärbtes, etwas kehliges
Timbre ganz gut zu Thielemanns Breitwandsound. Und die berühmte Arie
„Lache, Bajazzo!” war eine sichere Bank. Neben dem Superstar
überzeugten auch Liudmyla Monastyrska als Santuzza, Annalisa Stroppa
als Lola, Maria Agresta als Nedda und Ambrogio Maestri als Alfio.
Beide Kurz-Opern sind übrigens klassische Eifersuchtsdramen,
angesiedelt im damals noch der Blutrache frönenden Süditalien. Der
Inhalt in Kurzfassung:
In „Cavalleria rusticana” betrügt der
junge Bauer Turiddu seine Frau Santuzza mit seiner einstigen
Geliebten Lola, der aktuellen Gattin des Provinz-Paten Alfio und
wird von diesem postwendend erdolcht.
In „Pagliacci” wiederum
wird Canio, Kopf einer Wanderbühne, von seiner Frau und
Theaterkollegin Nedda mit dem jungen Silvio hintergangen, woraufhin
er nicht nur sie, sondern auch seinen Nebenbuhler ersticht - und
zwar während einer Theateraufführung auf offener Bühne. Der Plot
soll auf eine Geschichte zurückgehen, die der Komponist Leoncavallo
selbst erlebt hat.
Regisseur Philipp Stölzl inszenierte die
beiden fast immer im Doppelpack gespielten Opern technisch
aufwendig, wenn auch etwas brav. Die Optik der Setzkasten-Bühne
erinnert an den expressionistischen Film des frühen 20.
Jahrhunderts.
In der „Cavalleria” dominiert schwarz-weiß, im
„Bajazzo” kommen Farben dazu. Clou der Inszenierung sind live
gefilmte und geschnittene Videosequenzen: Während sich Canio/Bajazzo
in einem der Bühnenfenster für seinen Auftritt mit der untreuen
Gattin schminkt, sieht man in einem anderen Fenster sein von Trauer
und Rachegelüsten gezeichnetes Mienenspiel in Nahaufnahme.
Das ist technisch perfekt gemacht. Doch echtes Menschen-Theater
bleibt dabei weitgehend auf der Strecke. Trotzdem viel Jubel auch
für das Regieteam, wobei Stölzl auch für das Bühnenbild
verantwortlich zeichnete. Nicht zu vergessen: der viel beschäftigte,
mit Salzburger Stimmen verstärkte Sächsische Staatsopernchor.