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BR Klassik, 28.07.2024 |
von Michael Atzinger |
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Puccini: Tosca, Bayerische Staatsoper, 24. und 27. Juli 2024
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Blutrünstig, aber wunderbar
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Eleonora Buratto, Jonas Kaufmann und Ludovic Tézier sind die Stars einer
"Tosca"-Vorstellung bei den Münchner Opernfestspielen. Und sie hatten
gestern viel mehr Publikum als die gut 2000 Kartenbesitzer im ausverkauften
Nationaltheater. Die Bayerische Staatsoper übertrug den Abend als "Oper für
alle" kostenlos per Video auf den Max-Joseph-Platz. Und weil das Wetter
mitspielte, wurde der Platz voll. Sehr voll.
Samstag, 27. Juli, 12
Uhr mittags: schwül-warme 29 Grad, weiß-blauer Himmel. Die Großleinwand
steht, die Absperrgitter sind noch zu mehreren Haufen
übereinandergeschichtet, zwei Männer schleppen einen zusammengerollten roten
Teppich über die große Nationaltheater-Treppe nach oben. Sieben Stunden vor
Beginn des "Tosca"-Spektakels hat sich verständlicherweise noch niemand
seinen Sitzplatz reserviert.
Wer rechtzeitig einen Tisch auf der
Terrasse des Restaurants "Azuki" in der Alten Hauptpost gebucht hat, ist
fein raus: Stilvoll speisen mit Blick auf die Leinwand und mit Überdachung,
wenn der Regen kommt. Der kommt aber nicht heute. Um 15 Uhr haben sich so
ziemlich alle Wolken verzogen. 31 Grad. Die Sonne brennt. Noch immer ist
freie Platzwahl.
Oper für alle? Nicht ganz! Oper für ALLE ist das
heute hier? Nicht ganz. Ausgerechnet König Max I. Joseph, der mittendrin auf
einem Denkmal thronende Widmungsträger des Platzes, hat die Videoleinwand im
Rücken – und winkt huldvoll Richtung Spatenhaus. Aber er sitzt vermutlich
bequemer als alle Opernfreunde zu seinen Füßen. Die Steinwüste auf dem Platz
(aus Isarkieseln) ist eine Beleidigung für den Po und für die Bandscheibe.
Sitzkissen dürfen die Dicke von acht Zentimetern nicht überschreiten, Stühle
sind nicht erlaubt, auch keine Luftmatratzen. Oper im Liegen nimmt einfach
zu viel Platz weg – und heute braucht man hier jeden Quadratmeter.
Kunterbuntes Publikum 17 Uhr. Noch wird es nicht wirklich kühler. 29
Grad. Der Platz füllt sich. Junge Pärchen, ältere Paare, ganze
Familiengemeinschaften, Damen mit ihren besten Freundinnen. Die kunterbunte
und entspannte Zuschauerschar kontrastiert erfrischend mit einer auf der
Leinwand zugespielten zähen Kritikerrunde, deren bedeutungsschwanger
blickende Mitglieder sich überlange Musikbeispiele aus Puccinis "Tosca"
anhören müssen, um dann darüber zu diskutieren. Moderator Steven Gätjen holt
uns wieder in die Gegenwart dieses unbeschwerten Sommerabends – und das zu
Tode gerittene Klischee von "München als der nördlichsten Stadt Italiens"
feiert mit Brezen, Obazdem und Antipasti fröhliche Urständ‘ in den
Picknickkörben.
Umwerfender Sound, fantastische Bilder 19 Uhr.
Endlich spricht die Musik – und wie! Der großartige Sound erstickt sämtliche
Nebengeräusche auf dem Platz im Keim. Und die fantastische Bildqualität
zieht uns binnen Sekunden in diesen Opernkrimi. Man sieht, wie handwerklich
perfekt die drastische Inszenierung von Kornél Mundruczó gearbeitet ist. Und
drei Weltstars werfen sich singend und spielend die Bälle zu: Eleonora
Buratto, Ludovic Tézier und auch Jonas Kaufmann sind von umwerfender
Präsenz. Musikalisches Überwältigungstheater! Oder, wie es ein junger Mann
im Publikum formuliert: "Emotional. Kurzweilig. Unterhaltsam. Ein großer
Genuss. Hat wirklich Spaß gemacht. Wir kommen wieder!"
Blutrünstig,
aber wunderbar Nach drei Stunden große Begeisterung im Haus – und
grenzenloser, dankbarer Jubel auf dem Platz. Die Stars zeigen sich auch den
Zehntausend – und Eleonora Buratto nimmt sichtlich überwältigt wahr, wie die
Münchner und Münchnerinnen sie ins Herz geschlossen haben. Am Ende zieht
eine Besucherin ein Fazit, das man nur in der Kunstform Oper ziehen kann:
"Sehr blutrünstig, aber wunderbar."
Sendung: "Allegro" am 29. Juli ab
6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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