Die Presse, 22.09.2024
Marion Eigl
 
Schubert: Die schöne Müllerin, Wien, Musikverein, 21. September 2024
Buchbinder und Kaufmann taten sich schwer mit der „Müllerin“
 
Die zwei Publikumslieblinge gaben im Musikverein erstmals gemeinsam Schuberts Liedzyklus. Sie hätten sich mehr Zeit zum Probieren nehmen sollen.

Konzertpianist Rudolf Buchbinder schlüpft selten in die Rolle des Liedbegleiters. 60 Jahre fast liegt seine erste Aufnahme des Zyklus „Die schöne Müllerin“ zurück. Im Internet lässt sich die Interpretation mit Werner Krenn nachhören; Schubert in den Händen von 20jährigen. Die unkorrigierte Live-Aufnahme desselben Werks mit Michael Schade aus Grafenegg ist auch gut 15 Jahre her. Nun tat Buchbinder es wieder.

Mit einer besonderen Premiere zu Beginn seiner mehrteiligen Reise in dieser Saison im Wiener Musikverein, in der der Künstler vor allem seine leidenschaftliche Liebe zu Schuberts Kammermusik zum Ausdruck bringen möchte. Neben seinem „Lebenskomponisten“ Beethoven ist es Schubert, der dem Pianisten besonders ans Herz gewachsen ist. In seinem legendären Archiv steht die Erstausgabe der „Schönen Müllerin“ aus 1824, welche Buchbinder am Wochenende erstmals gemeinsam mit Jonas Kaufmann im Großen Saal aufführte.

Ein Experiment, das sich im Laufe des Abends zunehmend wie der Besuch im Probestudio zweier routinierter Künstler anfühlte. In Sachen Liedgesang geht der Tenor seit seiner Studienzeit in München gemeinsame Wege mit Helmut Deutsch. Jetzt also ein völlig anderer Dialogpartner, obendrein einer, der sehr auf Spontanität und Intuition im Zusammenspiel setzt. In einem Vorbericht war zu lesen, man würde sich zwei, drei Tage vor dem Konzerttermin zusammentun, um zu besprechen und zu probieren. Nach dem Abend lässt sich feststellen, dass es in Summe wohl ein zu knapp bemessener Zeitraum war.

Der Müllersbursche braucht Zeit!
Bei allem Verständnis für die angewandte Methode: zwei mit allen Wassern gewaschene Publikumslieblinge und diese Traumkomposition ergeben auf dem Papier definitiv einen Dreifachjackpot. Doch das Musizieren im Moment ist nicht alles. Die Wahl und Abstimmung der Tempi, das rasche Weitergehen zum nächsten Lied oder das abwartende Zögern und Innehalten, mögliche klangliche Differenzierungen der einzelnen Strophen – all das braucht Zeit, um die Geschichte des Müllersburschen letztlich gemeinsam zu erzählen.

Jonas Kaufmann steht als textsicherer, anfangs munter lebensfroh, geerdeter Protagonist auf der Bühne. Sein Zugang ist irgendwo zwischen plastisch vortragend und zunehmend Schmerz erleidend angesiedelt. Stimmlich stößt dieser unglücklich Liebende hörbar an seine Grenzen. Das Publikum des voll besetzten Saales verfolgte das Tun der Ausführenden mit heißem Herzen und wurde mit drei Zugaben beschenkt: „Die Forelle“, „Der Jüngling an der Quelle“ und „Der Musensohn“.













 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
  www.jkaufmann.info back top