Der Standard, 23. September 2024
Christoph Irrgeher
 
Schubert: Die schöne Müllerin, Wien, Musikverein, 21. September 2024
Jonas Kaufmann und Rudolf Buchbinder im Musikverein: Komm, süßer Tod
 
Schuberts "Schöne Müllerin" als betörendes Untergangsdrama

Am Ende herrscht eitle Wonne. Jonas Kaufmann ist keiner, der sein Publikum spätabends niedergeschlagen nach Hause trotten lässt. Also klebt der Star-Tenor an das finstere Ende von Schuberts Schöner Müllerin vier freundlichere Gesänge aus der Feder des Wiener Klassikers – von einer betont launig angestimmten Forelle bis zu einem kreuzfidelen Musensohn.

Nun – das hätte nicht unbedingt sein müssen. Was auch immer ein Sänger nach den 20 Liedern der Müllerin, diesem Episodendrama über junge Liebe, brennenden Weltschmerz und einen feuchten Suizid, noch nachlegt, wirkt zwangsläufig wie ein Fremdkörper. Ganz besonders an diesem Samstag, an dem Kaufmann und Pianist Rudolf Buchbinder, hinreißend uneitel und feinnervig in seinem Spiel, das Ende der Müllerin mit einem Höchstmaß an schmerzvoller Schönheit ausstatteten: Chapeau.

Sanfte Überwältigung
Trotz dieser Leistung muss man über den ersten gemeinsamen Auftritt der beiden Publikumslieblinge aber auch sagen: Ein makelloser war er nicht. Vor allem nicht im Falle von Kaufmann. Wiederholt schlichen sich Unschärfen in die Intonation des 55-Jährigen – vor allem dann, wenn er zu seinem Trademark-Sound ansetzte, diesem honigsüßen, hauchzarten Legato im hochtönenden Bereich.

Wenn dieser Schönklang aber die nötige Präzision besaß (und das tat er meist), ging er unwiderstehlich durch Mark und Bein. Eine sanfte Überwältigung, die immer wieder stattfand: Wenn Kaufmann etwa einzelne Töne wie Schwellkörper wachsen ließ (Halt) oder das Tempo drosselte, um eine Seelenregung wie unter der Lupe zu vergrößern (Der Neugierige). Und wenn er letztendlich die bittersüße Wirkung der beiden Schlusslieder auskostete: Da ließ er die sanften Lockgesänge des Baches flöten und mit düsterem Unterton zugleich den Untergang eines verliebten Jünglings ahnen. Eine schaurige Klang-Text-Schere. Wäre dem Publikum als Abschluss zumutbar gewesen.












 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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