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Opera Online, 19. Dezember 2023
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Dr. Helmut Christian Mayer
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Puccini: Turandot, Wien, Staatsoper, ab 7. Dezember 2023
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Puccinis „Turandot“ an der Wiener Staatsoper: Kühles, schmuckloses Ambiente in packender musikalischer Realisierung
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Unpersönlich, kühl und kaum ausgestattet wirkt die Bühne, eigentlich wie ein
karger Warteraum mit Stühlen einer straff organisierten, staatlichen
Behörde. Wie Marionetten in altvaterischen grünen Uniformen (Kostüme: Ursula
Kudrna) eilen Beamte, alle mit roten Haaren und dem gleichen Haarschnitt
ausgestattet, in eckigen Bewegungen wie Roboter herum (Bühne: Etienne
Pluss). Alles wird minutiös in Aktenordnern dokumentiert auch die
Exekutionen: So zeigt sich die neue Inszenierung von Giacomo Puccinis
„Turandot“ an der Wiener Staatsoper. Nur knapp zwei Monate nach einer
Neuproduktion von "Il trittico" wird Puccini im Haus am Ring wieder gefeiert
– Anlass ist die 100. Wiederkehr seines Todestages im Jahr 2024. Es gibt
keinen sonst oft gezeigten Prunk, keine chinesische Ornamentik oder
irgendwelche Symbole und schon gar keine imposanten Aufmärsche. Alles ist
gleichgeschaltet, so sitzt der Chor während des gesamten ersten Aktes
unbeweglich und alle Mitglieder in der gleichen Haltung, was an eine Sitzung
des chinesischen Volkskongresses oder an eine solche in Nordkorea erinnert,
am Bühnenrand. Auf der Bühne befasst man sich mit abgetrennten Köpfen, die
teils in Schachteln aber auch so herumgetragen werden. Auch ein
zigarettenrauchender, kopfloser Mann mit einer Frau im Brautkleid schreitet
daher. Für Calaf erscheint alles rätselhaft. Er betritt verwirrt den Raum in
völliger Ungewissheit. Seitliche Türen, in die die Beamtenschaft schreitet
oder hervorkommt, bleiben ihm verwehrt. Im Hintergrund erblickt man eine
riesige Türe, es soll jene berühmte zu Sigmund Freuds Praxis in der Wiener
Berggasse sein.
Turandot ist zuerst überdimensional groß nur
schemenhaft hinter einer milchig weißen Wand zu erblicken, wobei ihre Hand
Blut auf diese malt. Später liegt sie mit weißen Haaren und weißem Kleidchen
meist trotzig in einem Bettchen und starrt vor sich hin. Sie wirkt eiskalt
und umgibt sich mit Menschenpuppen. Auf allen Ausstattungsprunk verzichtend
will Regisseur Claus Guth die inneren Vorgänge der Protagonisten nach außen
kehren. Er zeigt dabei ein subtil-rätselhaftes Spiel der Gefühle.Es geht um
eine ernste psychologische Symptomatik, die eindrücklich umgesetzt wird.
Alles wirkt jedoch zu unterkühlt und wenig ästhetisch. Hingegen ist die
Personenführung selbst sehr ausgeklügelt.
Für große Glaubhaftigkeit
sorgt einmal mehr die großartige Singschauspielerin Asmik Grigorian in der
Titelrolle. Es erstaunt immer wieder, mit welcher Differenziertheit sie ihre
Rollen szenisch wie auch stimmlich gestalten kann. Von feinsten Piani bis
hin zu immer präsenten, kraftvollen Ausbrüchen reicht ihre fulminante
Palette, wobei sie dabei immer klangschön singt. Immer baritonaler klingt
das edle, samtige Timbre von Jonas Kaufmann aber mit allen ungefährdeten
Spitzentönen. Auch seine Paradearie „Nessun dorma“ gelingt ihm vortrefflich
und wird mit langanhaltendem, jubelndem Applaus bedacht. Darstellerisch
wirkt er jedoch etwas hölzern. Eine Entdeckung für die Wiener Staatsoper ist
Kristina Mkhitaryan als Liù. Sie singt ungemein innig und rein aber auch mit
starker Präsenz. Von der Regie wird sie immer wieder bis zu vierfach
gedoubelt. Dan Paul Dumitrescu ist ein verlässlicher Timur, Jörg Schneider
ein idealer Kaiser Altoum. Tadellos singen auch Attila Mokus als Mandarin
und die drei intensiv spielenden Minister Martin Häßler (Ping), Norbert
Ernst (Pang) und Hiroshi Amaki (Pong). Homogen und reich schattiert singt
der Staatsopernchor (Einstudierung: ), teils auch aus dem Off.
Puccinis Partitur mit der erweiterten vollendeten Fassung von Franco Alfano,
ein Schüler Puccinis, wird vom Orchester der Wiener Staatsoper unter Marco
Armiliato immer delikat und feinschillernd mit idealen
exotisch-koloristischen Klangwirkungen und ausgewogen sängerfreundlich
umgesetzt. Wie wohl der Phonpegel bei den reinen orchestralen Stellen
manchmal recht gewaltig ist, wird die Musik mit gleißender Effektkunst und
hohem Spannungslevel wiedergegeben.Armiliato ist ein Kapellmeister im
besten, und positivsten Sinne, der auch immer an die Interpreten denkt, mit
ihnen fühlt und atmet.
Riesiger Applaus für die musikalische
Realisierung, massive Proteste für die Regie bei der Premiere!
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