Traunsteiner Tagblatt, 05.04.2023
Elisabeth Aumiller
 
Wagner: Tannhäuser, Salzburger Osterfestspiele , ab 1. April 2023
Musikalischer Glanz mit szenischen Rätseln
 
In musikalischer Hinsicht war Richard Wagners »Tannhäuser« bei den diesjährigen Osterfestspielen in Salzburg ein eindrucksvolles Opern-Highlight. Die szenische Realisation von Romeo Castelluci zeigte sich zwiespältig mit zahlreichen symbolischen Details, die dem klaren Verständnis aber nicht entgegenkamen. Am Ende großer Jubel und Begeisterung im Auditorium.
 
Tannhäuser weilt im Venusberg als Geliebter der Venus, aber die ewige Lust in ihren Fängen ist ihm schließlich zu viel und er sehnt sich zurück zur Natur. Sich einer Gruppe sühnender Pilger anzuschließen, zögert er schuldbewusst. Mit dem Hinweis Wolframs von Eschenbach auf die ihn liebende Elisabeth ist die gemeinsame Rückkehr zur Wartburg angesagt. Zur Buße soll Tannhäuser nach Rom pilgern und um Vergebung seiner Schuld bitten, die ihm aber nicht gewährt wird. Elisabeths Flehen um Gnade und ihr Opfertod bringen Tannhäuser zuletzt die Erlösung. Andris Nelsons fächert Wagners Partitur in nuancierten Feinheiten auf, oft kammermusikalisch transparent, immer mit Rücksicht auf die Gesangsstimmen, um dann im Gegenzug, wo nötig, das Gewandhausorchester Leipzig auch im vollen Pulsschlag eindringlich auftrumpfen zu lassen.Traumhaft schön war die langsame Einleitung der Ouvertüre, die vom ersten Ton an fasziniert. Das Ohr wird vom ersten bis zum letzten Klingen des Abends in Verzauberung und Spannung gehalten.

Die Sängerbesetzung lässt keine Wünsche offen, auch wenn die Protagonisten stimmlich nicht als herkömmliche Wagnerheroen einzuordnen sind. Jonas Kaufmann debütiert als Tannhäuser, legt die Partie klug an und beeindruckt mit Intensität, guter Diktion und Ausdrucksstärke. Die Rom-Erzählung im dritten Akt macht er gesanglich zum glänzenden Höhepunkt. Einen großartigen Wolfram von Eschenbach gibt Christian Gerhaher in der Feintarierung zwischen deklamatorischer Liedqualität und kraftvollen Opernaufschwüngen. Das Lied an den Abendstern lässt er zum Ereignis werden.

Die Elisabeth von Marlis Petersen als Debütantin in ihrer ersten Wagnerrolle passt in ihrem lichten Stimmcharakter zwar gut zur Persönlichkeit Elisabeths, hat aber doch etwas zu wenig stimmliche Dramatik für die intensiven Wagnermomente. Dennoch ist sie als Gestalterin überzeugend und gewinnbringend. Ein Genuss ist Georg Zeppenfeld als Landgraf Hermann mit seinen volltönenden, gut geführten, erstklassigen Bassqualitäten. Emma Bell als Venus kann stimmgewaltig auftrumpfen, bleibt aber im Regiekonzept gefangen.

Sämtliche Wartburgsänger, angeführt von Sebastian Kohlhepp als Walther und Edwin Crossley-Mercer als Biterolf, sind bis in die kleinsten Partien exzellent besetzt. An Personenregie passiert nicht viel, die Sänger liefern ihre Parts überwiegend an der Rampe, was den Gesangsleistungen entgegenkommt.

Romeo Castelluci hat viel Fantasie eingebracht in zahlreiche Details von Symbolkraft, deren wahre Bedeutung der Regisseur wohl nur selbst kennt. Zur Ouvertüre schießt eine Phalanx barbusiger Bogenschützinnen ihre Liebespfeile in das Auge und Ohr eines Betrachters auf der Schützenscheibe am Bühnenhimmel. Wenig erotisch geht es im Venusberg zu. Gesichtslose Körper wuseln wie Mehlwürmer in einer unästhetischen Fleischmasse, gefangen in den Netzen der Venus. Auch in der aus weißen Schleiern bestehenden schönen Halle Elisabeths treiben die Tänzer eifrig Bodengymnastik.

Am Ende zeigen zwei Sarkophage mit den Aufschriften Jonas und Marlis die mehrfachen Tode von Tannhäuser und Elisabeth, während Inschriften die Uhr von einer Sekunde bis zu Milliarden von Jahrtausenden ticken lassen. Geschieht die Erlösung erst hier und jetzt nach zeitlichen Ewigkeiten? Oder nach zahllosen Inkarnationen? Oder die Vereinigung der Liebenden erst in geistiger Dimension, dann wenn außer Staub keine Materie mehr übrigbleibt?








 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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