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Kurier, 2.4.2023 |
von Gert Korentschnig |
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Wagner: Tannhäuser, Salzburger Osterfestspiele , ab 1. April 2023
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Szenen einer Aufstellung |
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Osterfestspiele Salzburg. Richard Wagners „Tannhäuser" mit Jonas
Kaufmanns Rollendebüt und Andris Nelsons am Pult des Gewandhausorchesters
Leipzig — eine Entschleunigung |
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Neue Zeiten bei den Salzburger Osterfestspielen: Zum ersten Mal seit der
Gründung im Jahr 1967 ist nicht der Chefdirigent eines Orchesters, sondern
ein Berufsintendant (und vormaliger Schauspieler) künstlerisch
alleinverantwortlich. Nach Karajan, Abbado, Rattle und Thielemann nun
Nikolaus Bachler — und man sieht gleich am Anfang, dass es fortan mehr um
das große Ganze geht (etwa durch neu einbezogene Genres wie Tanz und
elektronische Musik) als nur um eine Luxusproduktion sowie Konzerte. Der
Anspruch ist also groß, wenn es auch bis 2026 noch eine Übergangsperiode mit
wechselnden Orchestern gibt.
Dann kehren die einst nach
Skandalberichten abgezogenen Berliner Philharmoniker nach Salzburg zurück,
noch dazu mit ihrem gefeierten Chefdirigenten Kirill Petrenko —dann ist
wahrscheinlich alles wieder gut an jenem Ort, an dem nur das Beste gut genug
sein sollte.
Das Dirigat Das als Vorbemerkung zur Betrachtung der
ersten Produktion der Osterfestspiele nach Christian Thielemann und dessen
Sächsischer Staatskapelle Dresden. Und schon sind wir mitten im am
heftigsten diskutierten Thema der Premiere von Richard Wagners „Tannhäuser":
der musikalischen Gestaltung durch Andris Nelsons und das
Gewandhausorchester Leipzig. Dieser Klangkörper ist gut, nicht so
farbenprächtig wie Dresden, nicht so präzise, wendig und kraftvoll wie
Berlin, quer durch alle Instrumentengruppen geht „Tannhäuser" besser. Aber
der Hauptkritikpunkt trifft Nelsons selbst: Er zelebriert dieses Werk in
einer solchen Langsamkeit, auf Einzelteile dekonstruiert, dazwischen mit
ewig langen Generalpausen, sodass der große Bogen verloren geht.
Durch diesen langen Atem gibt es zwar auch berückend schöne Momente, etwa
beim Pilgerchor oder beim Lied an den Abendstern, das Christian Gerhaher als
Wolfram traumhaft und in jeder Hinsicht aus der Zeit gefallen singt. Einer
mitreißenden Erzähldramaturgie steht diese Lesart jedoch im Wege.
Die
Inszenierung Als Regisseur für seine erste Eigenproduktion in Salzburg
hat Bachler den italienischen Künstler Romeo Castellucci geholt. Mit ihm hat
er Tannhäuser" schon 2017 in München realisiert. Damals war die Bayerische
Staatsoper dank Bachler und Kirill Petrenko das beste Operntheater der Welt
und diese Produktion ein Ereignis (auch wegen des Dirigats). Nun hat
Castellucci die Münchener Produktion neu einstudiert, man erkennt auch
einige Unterschiede (weniger Fatsuits etwa im Venusberg, wo es um die
fleischliche Lust geht). Das Konzept ist jedoch ähnlich und offenbart bei
der zweiten Ansicht noch klarer Stärken und Schwächen.
Das
Beeindruckendste daran ist, bei aller Reduktion, die Bilderflut, die
Castellucci wie kein Zweiter schafft. Schon bei der Ouvertüre (in der
Pariser Fassung) choreografiert er Bogenschützinnen oben ohne auf der Bühne
- sie schießen Pfeile in Tannhäusers überdimensionales Auge. Die Jagd der
Gesellschaft auf ihn, den Sünder, hat begonnen.
Im ersten Aufzug
setzt Castellucci auf eine amorphe, gesichtslose Menschenmasse, im zweiten
Aufzug gestaltet er die Sängerhalle nur durch Gazevorhänge. Den ganzen
dritten Aufzug hindurch bestattet er Tannhäuser und Elisabeth und zeigt
deren Verfall über die Jahrtausende. All das ist ästhetisch, visuell
fabelhaft und ein eigenständiges Kunstwerk. Wir sind hier — im besten
Wortsinn —im Opernmuseum bei der Ausstellung eines großen Künstlers.
Allerdings, und damit kommen wir zu einer Schwäche, sind die Figuren kaum
geführt, man erkennt kein Ringen des Tannhäuser, keine Eifersucht des
Wolfram, am besten ist diesbezüglich noch die leidende Elisabeth. Die
Protagonisten Jonas Kaufmann und Marlis Petersen sind zwar darstellerisch
präsenter als Klaus Florian Vogt und Anja Harteros vor sechs Jahren in
München. Ein Kraftpaket wie Kaufmann und eine der besten
Singschauspielerinnen wie Petersen können aber szenisch mehr. So bleiben es
im würdevollen Steh- und Schreittheater nur Bilder einer Aufstellung (oder
Abstellung, wie nicht abgeholt).
Die Stimmen Für Kaufmann und
Petersen waren es Rollendebüts (auch das zeigt Bachlers Ansprüche als
Intendant). Kaufmann singt den Tannhäuser recht vorsichtig, anfänglich mit
viel Italianita, dann durchaus heldisch in der Rom-Erzählung, mit
wunderschönem Timbre und herrlichen Phrasierungen. Bezüglich Ausdruck und
Intensität ist da jedoch Luft nach oben. Petersen ist eine stimmlich zarte,
lyrische Elisabeth, ausreichend dramatisch in der Hallenarie, berührend in
ihrem Gebet. Ein sanfter erster Wagner-Schritt.
Die Stilisten
Christian Gerhaher (Schubert meets Wagner) als Wolfram und Georg Zeppenfeld
als Hermann sind überragend, Emma Bell (Einspringerin für Elina Garanca) ist
eine famose Venus, der Tschechische Philharmonische Chor und der Bachchor
Salzburg agieren solide.
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