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nmz, 03.04.2023 |
Von Michael Ernst |
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Wagner: Tannhäuser, Salzburger Osterfestspiele , ab 1. April 2023
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Zum ersten Mal zu den Osterfestspielen Salzburg: Wagners „Tannhäuser“ |
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Das Jahr der Debüts: Andris Nelsons dirigiert erstmals Oper mit dem
Gewandhausorchester, Jonas Kaufmann singt seinen ersten „Tannhäuser“.
Die Osterfestspiele Salzburg bleiben auch 2023 in sächsischer Hand. Nach
zehn Jahren mit der Staatskapelle Dresden als festem Residenzorchester ist
nun das Gewandhausorchester Leipzig angetreten, allerdings nur für den
aktuellen Jahrgang. In den kommenden zwei Jahren wird das „neue Konzept“ von
Intendant Nikolaus Bachler mit wechselnden Orchestern fortgesetzt, bevor
dann 2026 die Berliner Philharmoniker wieder an die Salzach zurückkehren,
mit denen Herbert von Karajan dieses Musikfest 1967 ins Leben rief.
Das Gewandhausorchester ist nicht nur das älteste deutsche Bürgerorchester,
sondern auch einer der zahlenmäßig größten Klangköper. Nur so war es
möglich, dass zeitgleich an der Oper Leipzig die Premiere von Georg
Friedrich Händels „Giulio Cesare in Egitto“ und zu den Osterfestspielen
Salzburg Richard Wagners „Tannhäuser“ bestritten werden konnte. Das
Gewandhauskapellmeister Andris Nelsons ausgerechnet im Großen Festspielhaus
seine erste Musiktheaterproduktion mit diesem Orchester realisiert hat,
dürfte das Leipziger Publikum möglicherweise ein wenig eifersüchtig gemacht
haben.
Sein Operndebüt mit diesem Orchester war nun aber nicht nur
einfach so eine Premiere, sondern der erste „Tannhäuser“ zu den
Osterfestspielen Salzburg überhaupt. Und das, obwohl es dort seit Gründung
der Festspiele eine reiche Wagner-Tradition gegeben hat, die nicht zuletzt
während der zehn Jahre währenden Residenz der Sächsischen Staatskapelle mit
„Parsifal“, „Walküre“, „Meistersingern“ und „Lohengrin“ fortgeführt worden
war.
Das Gewandhausorchester gastierte nach dem Tod Herbert von
Karajans bereits im Jahr 1990 bei den Osterfestspielen, damals mit
Beethovens „Fidelio“ unter der musikalischen Leitung von Kurt Masur. Der
aktuelle Gewandhauskapellmeister Andris Nelsons stemmte nun Wagners
„Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg“, wie die 1845 in Dresden
uraufgeführte Romantische Oper vollständig heißt, in der sogenannten Pariser
Fassung und wurde mitsamt dem Orchester heftig gefeiert. Unter dem gestisch
sehr zurückhaltenden Dirigat des Letten ist Wagners Musik geradezu
aufgeblüht, er ging das Risiko ein, mit verhaltenen Tempi große Spannung zu
erzeugen, die glücklicherweise in keinem Moment abriss, teilweise sogar für
Gänsehaut sorgte. Einige Buhrufe bekundeten freilich auch Unbehagen an
dieser Interpretation.
Herausragend: Christian Gerhaer als Wolfram
Nelsons erste Oper mit dem Gewandhausorchester war gewürzt mit einer
geradezu luxuriösen Besetzung in allen Partien, zudem mit drei namhaften
Rollendebüts: Emma Bell ist relativ kurzfristig für die erkrankte Elīna
Garanča als Venus eingesprungen, Marlis Petersen sang erstmals die
Elisabeth, ebenso wie Jonas Kaufmann den Tannhäuser.
Anfangs wirkte
der Tenor in diesem Part etwas angestrengt, als wolle er sich noch schonen,
konnte sich aber mehr und mehr in diese Rolle hineinsteigern und spätestens
im dritten Aufzug wirklich brillieren, wiewohl seine Rom-Erzählung dann doch
ein wenig statisch geriet.
Durchweg grandios waren Emma Bell und
Marlis Petersen – obwohl sie zwei sehr unterschiedliche Prinzipien
verkörperten, die grenzenlos sinnliche Liebe und die religiös prüde
Enthaltsamkeit. Auch der gesamte Sängerwettstreit war durchweg glänzend
besetzt: Sebastian Kohlhepp als strahlend heller Walther von der Vogelweide,
Edwin Crossley-Mercer als tiefschwarz klingender Biterolf, Dean Power als
Heinrich der Schreiber und Alexander Köpeczi als Reinmar von Zweter –
allesamt ohne Fehl und Tadel. Als Landgraf Hermann aber hat Georg Zeppenfeld
einmal mehr Maßstäbe gesetzt (und wurde, da in Salzburg bestens bekannt,
dafür auch heftig gefeiert); vor allem jedoch gefiel Christian Gerhaher in
der Rolle des Wolfram von Eschenbach. Er gestaltete seinen Part geradezu
liedhaft dezent, als würde er jeden einzelnen im Publikum persönlich
ansingen wollen. Sein „Lied an den Abendstern“ geriet in dieser sehr
verinnerlichten Form zu einem Höhepunkt des Abends. Bestens präpariert waren
auch der Tschechische Philharmonische Chor Brno sowie der Bachchor Salzburg
und nicht zuletzt die glockenhelle Emily Pogorelc als Stimme des
Hirtenknaben.
Assoziationsreiche Bildsprache von Regisseur Romeo
Castelucci Der Salzburger „Tannhäuser“, eine Übernahme der 2017 an der
Bayerischen Staatsoper München herausgekommen Produktion des italienischen
Regisseurs Romeo Castellucci, war schon damals nicht unumstritten und
erntete quasi erwartungsgemäß auch vom Publikum der Osterfestspiele geteilte
Reaktionen. Castellucci hat seine sehr auf augenscheinliche Ästhetik
angelegte Inszenierung komplett neu einstudiert und einmal mehr für Regie,
Bühne, Kostüme nebst Licht verantwortlich gezeichnet. Visuell vermochte er
großen Eindruck zu erzeugen, auch wenn sich sein schier überquellender
Ideenschatz nicht in jedem Detail plausibel erschlossen hat. Schon während
des Vorspiels gab es ein Bacchanal barbusiger Mädchen und Knaben
(Choreografie Cindy van Acker), die mit Pfeil und Bogen in ein großes, alles
sehendes Auge hineingeschossen haben. Diese Tanzorgien garnierten die
gesamte Aufführung sehr wirkungsvoll, sind quasi der körpervolle Venusberg
gewesen, manchmal nur bloße Staffage, aber immer in eindrucksvoller
Bewegtheit.
Wenn eine Oper so sehr aufs Ästhetische angelegt ist,
besteht allerdings die Gefahr, das Inhaltliches zu kurz kommt. Castellucci
versteckt fehlende Personenführung hinter eindrucksvollen Bildern mit
kontrastreichem Schwarzweiß, auch mal mit einem Elfenreigen vor wehenden
Wolken und immer wieder mit dem Assoziationen weckendem Motiv des Pfeils.
Der das Vergehen der Zeit versinnbildlichen soll, aber auch die ewige
Wiederkehr dieser widerstreitenden Prinzipien darstellen kann: Liebe als
Sucht, als Gier auf der einen – und völliger Verzicht auf Körperliches auf
der anderen Seite. Tannhäuser will beides, steht am Ende aber enttäuscht und
ohne alles da. „Göttliche“ Absolution in Rom blieb ihm verwehrt, wofür er
sich charaktervoll giftend empört hat. Das Schicksal der gefügig den Tod
wählenden Elisabeth macht ihn betroffen, sonst nichts.
Marlis
Petersen hat ihre Keuschheit, ihr Frömmeln, ihre Hingabe an eine jenseitige
Welt der Lustlosigkeit sehr lebensnah und überzeugend gespielt, bei der
eigentlich eher diesseitiger Lebenslust zugewandten Venus hätte man sich von
Emma Bell gern noch ein wenig mehr Feuer und Glut wünschen können.
Am
Ende gab es reichlich Applaus für alle Beteiligten, besonders für Christian
Gerhaher und Georg Zeppenfeld. Vereinzelte Buh-Rufe für Marlis Petersen und
auch für Andris Nelsons wirkten angesichts der erbrachten Leistungen
verstörend.
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