BR Klassik, 26.05.2023
von Michael Atzinger
 
Giordano: Andrea Chenier, Milano, ab 24. Mai 2023
JONAS KAUFMANN AN DER MAILÄNDER SCALA
 
 
Vor sechs Jahren hat Jonas Kaufmann Umberto Giordanos Revolutionshelden Andrea Chénier in München und Paris gesungen, erst im vergangenen Dezember war er damit an der Wiener Staatsoper zu Gast – und jetzt wettert er an der Scala in Mailand gegen das Ancien Régime, bevor er in Robespierres Schreckensherrschaft sein Dichterleben unter der Guillotine verliert. Aus München sind 33 Opernfreunde angereist – begleitet von BR-KLASSIK-Moderator Michael Atzinger.

Für zwei "Andrea Chénier"-Vorstellungen ist Jonas Kaufmann in Mailand – und hat beim ersten Abend, zusammen mit Sonya Yoncheva als Maddalena, Italiens berühmtestes Opernhaus zum Toben gebracht.

BUHS FÜR DEN DIRIGENTEN
Ganz ungetrübt war das Erlebnis nicht – und das lag auch am sonst so sensibel agierenden Dirigenten Marco Armiliato: Er pflügte mit dem Orchester der Scala ein bisschen pauschal durch die Partitur: kein betörender Rokokoduft im Chor des ersten Bildes, keine schneidende Schärfe bei der großen Arie des Gérard, die Musikerinnen und Musiker prunkten mit Lautstärke. Dabei hat diese Oper so viele unterschiedliche Stimmungen. Prompt gab’s für Armiliato Buhs.

Für Lautstärke gefeiert hat das Publikum hingegen den mongolischen Bariton Amartushvin Enkhbat – eine in allen Lagen fantastisch ansprechende Stimme, aber eben NUR Stimme. Da stand leider kein Mensch, kein Charakter auf der Bühne.

UNINSPIRIERTE REGIE
Im Jahr 1896 hatte Umberto Giordanos Revolutionsdrama "Andrea Chénier" seine umjubelte Uraufführung an der Mailänder Scala. Aus dieser Zeit könnten auch Teile der etwas lustlosen Inszenierung sein: Wimmelbilder mit 120-köpfigem Chor; eine steinerne graue Brücke; und am Schluss ein offener Holzkarren, der mit dem Liebespaar Richtung Guillotine zuckelt.

BR-KLASSIK-HÖRER:INNEN ERLEBEN IHRE SCALA-PREMIERE
Mehr als die Hälfte unserer 33 BR-KLASSIK-Opernfans hat mit diesem "Andrea Chénier" tatsächlich ihre Scala-Premiere. Und so bunt wie die sympathische Truppe sind auch die Meinungen zu diesem Opernabend.

JONAS KAUFMANN UND SONYA YONCHEVA ÜBERZEUGEN IN MAILAND
Und Jonas Kaufmann und Sonya Yoncheva? Die machen einfach ihr Ding. Und das machen sie großartig. Sie mit leidenschaftlich aufrauschendem, leuchtendem Sopran; er immer noch und immer wieder mit Durchschlagskraft und Glanz. Und beide mit feinem Spiel. Keine Mätzchen, keine leeren Gesten, keine Weltmeisterschaft im Händeringen. Der Mailänder "Andrea Chénier" - kein in jeder Minute überwältigendes Musiktheatererlebnis. Aber die beiden Stars waren jeden Euro wert.










 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
  www.jkaufmann.info back top