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Kleine Zeitung, 15. Jänner 2023 |
Martin Gasser |
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Verdi: Aida, Wiener Staatsoper ab 14. Januar 2023
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Netrebko, Kaufmann, Garanča: Stimmenfest mit leichten Eintrübungen
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Geradezu spektakulär besetzt war die Wiederaufnahme der fast 39 Jahre alten
Inszenierung von Verdis "Aida" an der Staatsoper. Anna Netrebko, Jonas
Kaufmann, Elīna Garanča bildeten ein Lineup der Superstars. Es wurde zum
Fest mit leichten Eintrübungen.
Netrebko, Kaufmann, Garanča und dann
auch noch Luca Salsi als Amonasro – es gibt keine Bühne der Welt, die
Metropolitan Opera mit eingerechnet, auf der man eine solche Besetzung zu
sehen bekäme. Allerdings auch deshalb, weil Anna Netrebko noch immer nicht
in allen Opernhäusern willkommen ist. (Eine ausführliche Darstellung des
"Fall Netrebko" von meinem Kollegen Michael Tschida finden Sie hier.)
An diesem Gala-Abend, dem ersten von vier komplett ausverkauften, konnte
man sich, abgesehen von etwaigen moralischen Überlegungen zu Netrebkos
Engagement, auf die Musik konzentrieren. Das Bühnengeschehen ist zwar nicht
wirklich werkdienlich, aber hinreichend unauffällig. Auch weil bei der
„Auffrischung“ der Uraltinszenierung der „Aida“ von 1984 auf die
Personenführung vergessen worden ist. Die Opernstars stehen in bizarren
Glitzerkostümen herum, ganz ihrem eigenen darstellerischen Geschick
überlassen. Was eine Inszenierung, die ohnehin so aussieht, als wären die
alten Ägypter in einen Archäologiepark mit den steinernen Überresten ihrer
Hochkultur eingezogen, nicht wirklich auf Trab bringt.
Aber, wie
gesagt, es geht ja um die Musik. Die Primadonna Assoluta Anna Netrebko ist
eine hinreißende Aida: kein bemitleidenswertes Geschöpf, sondern eine zum
Heldentum bestimmte vokale Tigerin. Klangpracht, Intensität, aber auch
Poesie sind bei dieser Darstellung von femininem Trutz reichlich vorhanden.
Die hohe Lage funkelt und Netrebkos unverwechselbar dunkel-sinnlich
timbrierter Sopran hat auch in einem schwebenden Piano noch Körper und
Farbe. Unfassbar, wie Netrebkos Stimme sich im „Pezzo concertato“ im 2. Akt
über das Ensemble legt und hörbar bleibt, ohne aufdringlich zu wirken.
Mezzo Elīna Garanča singt die Amneris fulminant: Sie führt die Stimme
durch alle Anforderungen der Partie und gibt der verschmähten Prinzessin
eine – hier sehr gut passende – kühle Aura, die sie in absolut grandiosen
dramatischen Momenten durchbricht. Wobei auch die anrührenden „Pace“-Töne im
Finale in Erinnerung bleiben werden. Tenor Jonas Kaufmann müht sich mit dem
Radamès lange ab und beeindruckt erst „nur“ mit seiner bekannt opulenten
baritonalen Mittellage. Die Stimme offenbart Verschleiß: Die hohe Lage wirkt
oft gestemmt und gequält, in der Spitze falsettiert er gern. Das „Celeste
Aida“ versemmelt Kaufmann halb, es klingt unausgewogen und lässt kehlige
Laute vernehmen. Erst bei der Konfrontation mit Amneris wird dieser Radamès
präsent und verwandelt sich in einen Heerführer, dem Dramatik zu Gebote
steht.
Wunderbar idiomatisch singt Luca Salsi den Amonasro, ein gut
sitzender Verdibariton, klangvoll und schön, männlich, doch mit der nötigen
Weichheit. Die weiteren Partien sind sehr gut besetzt: Alexander Vinogradov
als Ramfis, Ilja Kazakov als König. Nicola Luisottis Dirigat am Pult des
Staatsopernorchesters ist solide, aber nicht packend, streckenweise sogar
spannungsarm. Die großen Tableaus sind zwar laut, aber federn nicht, manches
wirkt verschleppt.
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