Jahresabschlusskonzert, Berlin, Philharmonie, ab 29.12.2022
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Die Macht des Schicksals: Silvester mit den Berliner Philharmonikern |
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Mit Startenor Jonas Kaufmann verabschieden Kirill Petrenko und die Berliner
Philharmoniker ein aufreibendes Jahr.
Die Berliner Philharmoniker
ringen Jahr für Jahr darum, ihrem Publikum an den drei letzten Abenden des
Jahres in der Philharmonie ein Programm zu bieten, mit dem sich das
Orchester unterhaltsam und in Topform präsentiert. Gleichzeitig geht dieser
Silvestergruß via Digital Concert Hall, Kino, Radio und Arte TV hinaus in
die Welt, will also auch auf der anderen Seite des Globus noch begeistern.
Dieser Spagat hat in der Vergangenheit nicht immer zu glücklichen
Arrangements geführt. Oft sah die um seriöse Lockerheit bemühte Klassik
älter aus, als sie im Herzen ist.
Dieses Jahr verbringt Jonas
Kaufmann, ein hart arbeitender Sänger auf den Bühnen der Welt, den
Jahreswechsel in Berlin. Kaufmann liefert immer zuverlässig, entdeckt
nebenbei neue Rollen und singt zu seiner Tenorlage auch noch Baritonpartien
wie der späte Domingo.
Doch es ist nicht nur der Marktwert, der zu
seinem Silvester-Engagement geführt hat. An der Münchner Staatsoper haben
Kirill Petrenko und Jonas Kaufmann 40 Abende zusammen musiziert, mit dem
Philharmoniker-Chef hat der Startenor sich auf Neuland gewagt. Das
verbindet.
Am ersten Konzertabend, zwei Tage vor dem Jahreswechsel,
ist Kaufmann ein herausforderndes Jahr durchaus anzumerken. Zum Auftakt
spielen die Philharmoniker die Ouvertüre zu Verdis „La forza del destino“ in
einer Schärfe, wie man sie an Opernhäusern nie zu hören bekommt. Knappe acht
Minuten Unentrinnbarkeit, inmitten der hochschlagenden Wellen die zarteste
Unschuld.
Ein Malstrom von einem Trauermarsch Dann steht da ohne
alle Insignien eines Starauftritts Jonas Kaufmann und will sterben: „La vita
è inferno all’infelice.“ Seine Stimme schluchzt, schmirgelt, legt jene
Unangreifbarkeit ab, die ihren Ruf begründet hat. Danach der Tod auf offener
Bühne, Kaufmann hat eine selten zu hörende Arie aus Zandonais „Giulietta e
Romeo“ mitgebracht, haucht als Romeo sein Leben aus und hustet danach in die
Faust. Ein gut platzierter Hinweis darauf, dass hier mehr Brüchigkeit im
Spiel war als beabsichtigt.
Und dann rast das gerade noch mitfühlend
begleitende Orchester los und stürzt sich in „Tybalds Tod“ aus Prokofjews
Suite „Romeo und Julia“: Petrenko zeigt mit brillanter Vehemenz, wie sich
aus einem übermütigen Spiel ein Malstrom von einem Trauermarsch entwickelt,
der noch vieles mit sich reißen wird.
Diese Dramaturgie wiederholt
sich in der zweiten Hälfte des Abends. Kaufmann berührt mit der Arie des
Turiddu aus „Cavalleria rusticana“, die Musikerinnen und Musiker sausen
durch Tschaikowskys „Capriccio italien“. Bei der Zugabe, Nino Rotas „Parla
piu piano“ aus dem Film „Der Pate“, erreicht Kaufmann mit souverän
projizierter mezza voce auch den letzten Platz in der Philharmonie. Dass
danach die Philharmoniker nochmals mit Schostakowitsch aufschäumen, hätte es
gar nicht gebraucht.
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