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rbb 24, 31.12.22 |
Von Maria Ossowski |
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Jahresabschlusskonzert, Berlin, Philharmonie, ab 29.12.2022
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Mit sizilianischer Sonne ins neue Jahr |
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Das Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker ist jahrzehntelange
Tradition, notorisch ausverkauft - aber glücklicherweise auch anders zu
hören, sagt Maria Ossowski. Denn Startenor Jonas Kaufmann vertreibe
zuverlässig die Düsternis des Jahres 2022.
Die Macht des Schicksals.
Die Macht der Liebe. Die Macht des Todes. Und zum Schluss die Macht der
Schönheit Italiens und die Sonne Siziliens. Das Silvesterkonzert der
Berliner Philharmoniker beschließt dieses erschütternde Jahr mit einem
italienischen Programm, das melancholisch und leidenschaftlich, ekstatisch,
melodisch und durchaus auch mörderisch ist.
Jonas Kaufmann singt die
Arien von vier Opernfiguren, die alle sterben müssen: Álvaro in Verdis
"Macht des Schicksals", Romeo in Riccardo Zandonais "Giulietta e Romeo",
Andrea Chenier verliert den Kopf auf der Guillotine und Ehebrecher Turridu
aus "Cavalleria Rusticana" wird ebenfalls umgebracht.
Einer der
größten Tenöre der Gegenwart
Liebe, Hass und Tod präsentiert Kaufmann
mit ungeheurer Leidenschaft. Der 53-jährige Münchner, der mittlerweile in
Salzburg lebt, gehört zu den größten Tenören der Gegenwart. Er betört das
Publikum mit seiner hinreißenden Kraft, einem erstaunlichen Pianissimo und
einer erfrischend demonstrativen Männlichkeit.
Die strapazierten
Stimmbänder sind Geschichte. 2016 zwangen sie ihn, länger zu pausieren. Aus
dieser Zeit geblieben ist vielleicht eine hauchzarte Rauheit, die aber
charmant klingt und perfekt zum Programm passt. Zum Dahinschmelzen: seine
Zugabe. Auch in Nino Rotas Filmmusik steht der Tod Pate. Die Hitze
Siziliens, die Landschaft der Insel, die Schönheit und die Kargheit - all
das strahlt aus diesem Lied und Kaufmanns Passion.
Ohne Italien ist
das Leben ein Irrtum, lesen wir im Programmheft sehr frei nach Nietzsche -
und fügen hinzu: Ohne die Berliner Philharmoniker ist Silvester kein Fest.
Das Orchester schafft beides perfekt: den Sänger so begleiten, dass er seine
Kunst noch intensiver leuchten lässt, und selbst sinfonisch so zu
brillieren, wie wohl kein anderes Orchester weltweit.
Das Glück des
römischen Sommers
Da tanzen bei Nino Rotas Suite "La Strada" die
Melodien und Rhythmen mit jener Präzision und Tiefe, die selbst bei
Filmmusik nur verblüfft. Chefdirigent Kirill Petrenko dirigiert exakt und
akribisch und lässt gleichzeitig Raum für alle Spiellust und Freude.
Bei Tschaikowskys "Capriccio Italien" schließlich siegt der Optimismus,
Italiens Lebensfreude und das Glück des römischen Sommers. Tschaikowskis
Fantasie, seine Einfälle (capriccio auf Deutsch: Laune, Einfall) beglücken.
Die berühmte Canzone "alla napolitana", die durch das ganze Orchester
wandert, springt dann weiter mit der wirbelnden Tarantella ins Publikum.
Alle Düsternis der Schicksalsmacht ist verschwunden, das alte Jahr beendet.
Dieses Silvesterkonzert schickt die Hörerinnen und Hörer mit einem
musikalischen Lächeln ins Neue Jahr.
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