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Kultur in München, 24. Juli 2022 |
Ludwig Stadler
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Liederabend, München, 23. Juli 2022
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Auf Flügeln des Gesanges
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Es ist jedes Mal doch ein kleines Aufsehen, wenn Jonas Kaufmann einen seiner
Solo-Abende in der Bayerischen Staatsoper ankündigt, egal ob Konzert oder
Liederabend. Dabei ist der Münchner Tenor alles andere als ein seltener Gast
im Nationaltheater und spielt auch im Herbst wieder in zwei
Opernproduktionen in München. Wegen einer Erkrankung zu Beginn der Spielzeit
ist es nun allerdings tatsächlich der erste musikalische Besuch an der
Staatsoper während der Intendanz von Serge Dorny. Der ist ordentlich:
ausverkauftes Haus, es steht ein Liederabend mit Pianist Helmut Deutsch auf
dem Plan. Erst wenige Tage zuvor hat Kaufmann verkündet, seine
Corona-Erkrankung einigermaßen hinter sich gebracht zu haben und den Abend
spielen zu können – sein Einstieg nach vielen Wochen gesanglicher Abstinenz.
Das Lieder-Programm liest sich reichlich wild durcheinander – die erste
Hälfte besteht aus allerlei einzelnen Stücken verschiedener Komponisten,
vermeintlich wahllos zusammengewürfelt, der zweite Akt dann ein reiner
Liszt-Teil. Auf den zweiten Blick wird klar: Kaufmann singt seine beiden
neuesten Lieder-Alben. Den Anfang macht „Selige Stunde“, seine
Lieder-Favoriten-Sammlung, die im September 2020 erschien. Relativ
ungewöhnlich also der Einstieg mit Beethovens „Adelaide“ und direkt danach
Schuberts „Der Musensohn“. Dadurch, dass es nicht block- und konzeptweise
dargeboten wird, scheint das Publikum reichlich verwirrt – wann wird
eigentlich geklatscht? Die Antwort scheint schnell gefunden: einfach nach
jedem Lied. Doch die Puristen stellen sich dagegen und das „Pssst!“
erschlägt den Applaus. Als erfahrender Liedbesucher weiß man: zwischen den
Liedern darf nur lautstark gehustet werden, das dafür aber dann bis zur
Mitte des Folgeliedes. Irgendwann ist jegliches Klatschen erstickt und damit
auch das verschmitzte Lächeln Kaufmanns während des Applaudierens.
So
rebellisch der Start, so gesanglich und künstlerisch stark der Weitergang.
Helmut Deutsch am Klavier spielt sich offensichtlich erst warm für das
Liszt-Gewitter, was in der zweiten Hälfte folgen sollte. Kaufmann brachte
erst vergangenen Herbst ein gesamtes Album mit Liedern von Franz Liszt
heraus. Zwar war der nie Meister der überragenden Gesangsspuren, dafür aber
umso mehr der instrumentalen Ausarbeitung – und Lieder wie „O lieb, solang
du lieben kannst“ sind dann doch in der Gesamtkomposition so stark, dass die
Applaus-Unruhestifter wieder zu Werke gehen. Kaufmann deutet sofort auf
Deutsch – Ehre, wem Ehre gebührt. Doch der Tenor weiß an diesem Abend auch
selbst zu glänzen. Seine Stimme scheint auskuriert, nur zu Beginn muss er
sich zweimal räuspern, dann tingelt er wieder in den Höhen und Tiefen wie
immer zuvor. Natürlich ist ein Liederabend auch ein dankbarer Einstieg nach
einer Pause, seine anstehenden Arien-Konzerte dürften da ein komplexeres
Unterfangen werden. Doch auch die Intimität will gelernt sein, die
klassische Kopfstimme, beispielsweise bei „Die Loreley“, ist nicht die
einfachste – aber an diesem Abend sitzt sie.
Der Schlussapplaus ist
euphorisch, einzelne stehende Ovationen fügen sich dem hinzu. Kaufmann ist
zurück in der Staatsoper, das muss bejubelt werden! Und gekrönt – mit
beachtlichen fünf (!) Zugaben. Immer und immer wieder kehren Deutsch und
Kaufmann zurück, erst noch mit Liszt „Es muss ein Wunderbares sein“,
mittendrin ein humorvolles Intermezzo mit „Nichts“ von Richard Strauss – und
spätestens dann, als die Publikumsstimmen überlegen, wie oft man ihn denn
noch rausklatschen könne, schließt Brahms „Wiegenlied“ gegen 22 Uhr dann
wirklich den Abend ab. Eine wunderbare, zurecht umjubelte Rückkehr. |
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