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ORF, 14. August 2022 |
Gerald Heidegger, ORF.at |
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Beethoven: Fidelio, Gstaad und Grafenegg, August 2022
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Ein großer „Fidelio“ auf der Wiese |
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Große Klassik, einfache Zugänge – dieses Motto schreibt sich das Festival
Grafenegg auf die Fahnen. Es ist am Samstag vor ausverkauften Rängen mit
einem konzertanten „Fidelio“ in Bestbesetzung in die Saison gestartet. Mehr
Klang als in der Oper bot vor allem das Schweizer Gstaad Festival Orchestra.
Auch die Wiesenplätze waren bis aufs Letzte belegt. Und man durfte sich
denken: Endlich stören bei diesem Befreiungswerk keine ambitionierten
Regieeinfälle.
„Wir spielten blinde Kuh am Rande eines ausbrechenden
Vulkans“ – mit diesen Sätzen, meist sehr pathetisch intoniert von
Schauspieler Peter Simonischek, wurde man durch einen „Fidelio“-Abend
geführt, der nicht nur durch das Setting an diesem warmen Spätsommerabend
anders war als andere Aufführungen dieser Oper. Ja, man wartete natürlich
gespannt auf den Stargast des Abends, immerhin war ja Jonas Kaufmann als
Florestan aufgeboten.
Dieser „Fidelio“ las sie wie der Rückblick und
die Bewältigung einer Revolution. Das Scharnier war der Text „Roccos
Erzählung“ aus der Hand des deutschen Germanisten Walter Jens, der die
Sprechpartien der Oper in einem neuen Rahmen gefasst hat. Der Kerkermeister
Rocco schreibt darin seinen Rückblick auf die Revolution aus der Sicht des
kleinen Mannes, aber auch aus der Sicht des Dieners des Staates, der die
Gesetze der Autokratie zu vollziehen hat. „Mut, das haben die da oben, nicht
wir kleinen Leute“, fasste er seinen Rückblick auf die Befreiung einer
Gesellschaft zusammen, die ja bei Beethoven in das Schicksal der unbändigen
Liebe Leonores zu Florestan gelegt wird – und den Aspekt glorifiziert, „dass
die Liebe einer Einzelnen einer ganzen Gesellschaft zuteil wird und sie
ändert“.
Kleine statt große Gesten Dass dieser Abend ohne große
Gesten tatsächlich auch die Kraft eines politischen Statements hatte, wurde
durch das Wechselspiel aus Erzählabschnitten und Orchesterführung deutlich.
Jaap van Zweden, hauptberuflich in New York tätig, führte das Gstaader
Festivalorchester, in dem sich tatsächlich die Ansammlung der besten Musiker
der Schweiz aus unterschiedlichen Häusern verbirgt, und den Philharmonischen
Chor Brünn mit der Lust auf Tempo und breiten Klang. Tatsächlich spielte
dieser „Fidelio“ seine Stärken klanglich aus, denn in einem Operngraben
bringt man selten eine derart große Aufstellung an Musikerinnen und Musikern
unter wie hier – und sie wurde genutzt.
Beethoven, der an dieser Oper
mehr als zehn Jahre verzweifelte, kann ja in allem, was er beim „Fidelio“
tut und denkt, den Symphoniker nicht verbergen – und auch das tat dem Abend
gut. Von der ersten Arie der Marzeline, prägnant vorgetragen von Christina
Landshammer, bis zum großen Schlussstück und dem Gemeinschaftschor war es
fast ein Thesenabend zu einer gesellschaftlichen Befreiung. Sinead
Campbell-Wallace gab eine mehr als überzeugende Leonore, nicht zuletzt auch
im Wechselspiel mit Andreas Bauer Kanabas als Rocco. Patrick Grahl sang den
Jaquino, die Spitzen des Staates waren mit Falk Stuckmann als Don Pizarro
und Matthias Winckhler als Don Fernando ebenso überzeugend besetzt.
Kaufmann sucht seinen Platz im Teamgefüge Man könnte sagen, Kaufmann
hatte es leicht, auf diese Basis sein Strahlen zu setzen – doch er tat es,
indem er sich einfügte, selten in den Vordergrund drängte. Begeistert
gefeiert wurde somit ein tatsächlich anderer „Fidelio“ und eigentlich ein
symphonisches Befreiungsfest, könnte man fast sagen, in dem ein Stück
philosophischer Reflexion lag: Was, wenn der Diener des Staates eben nicht
mehr den Auftrag vollziehen kann, der in den Widersprüchen der staatlichen
Anordnungen steckt? Ähnliche Problematiken hatte ja auch Ilja Trojanow bei
seiner viel beachteten Eröffnungsrede zu den Salzburger Festspielen
skizziert.
Und auch wenn Grafenegg-Hausherr Rudolf Buchbinder stets
die Mottolosigkeit des Festivals betont, so war hier ein Eröffnungsstatement
geliefert.
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