|
|
|
|
|
Jungfrau Zeitung, 17. Dezember 2022 |
von Peter Wäch |
|
Puccini: Tosca, Zürich, ab 15.12.2022
|
Puccinis Wurf und Kaufmanns Kraft |
|
Es ist eine Rückkehr ans Zürcher Opernhaus und es ist ein Triumph. Startenor
Jonas Kaufmann schlüpft wieder in die Rolle des Mario Cavaradossi in
Puccinis Meisterwerk «Tosca», wo er im März 2009 im Haus am Bellevue
debütierte und seiner Weltkarriere weitere Schubkraft verlieh. Kaufmanns
Performance mit den unverkennbaren Legati und atemreichen Melodiebögen löst
beim Publikum Begeisterungsstürme aus. Gefeiert werden in dieser
unvergänglichen Inszenierung von Robert Carsen auch die Stars Sondra
Radvanovsky als Tosca und Bryn Terfel als Bösewicht Scarpia. Gianandrea
Noseda sorgt am Pult für die nötige Wucht.
Viele Jahre mussten die
Besucher am Opernhaus Zürich auf den Weltstar Jonas Kaufmann verzichten. Der
charmante Münchner mit der inzwischen etwas ergrauten Lockenpracht wollte
den Weg ans renommierte Haus in der Schweiz nicht mehr so recht finden. Nach
bald 14 Jahren stand er letzten Donnerstag wieder als Cavaradossi auf jener
Bühne, der er auch seinen Ruhm mitzuverdanken hat. Es ist eine Paraderolle,
auch wegen dem Tränenpresser «E lucevan le stelle», den er immer noch wie
kein Zweiter zum Besten gibt. Und tatsächlich leuchteten diese Sterne wie
schon in jüngeren Jahren. Kaufmann holt sich den ersten Szenenapplaus
allerdings schon zu Beginn der Oper, wo er mit dem Schmelzer «Recondita
armonia» den Tarif durchgibt: Mit atemreicher Kraft für die besonders
eleganten Bögen von Maestro Puccini und mit seiner grazilen Reduktion im
Pianissimo, die einem die Nackenhärchen aufstellen.
Oper im Quadrat
«Tosca, das ist Oper im Quadrat», sagt später eine Besucherin auf der
Bahnfahrt von Zürich zurück nach Bern, «hier stimmt einfach alles.» In
Zürich ist das mit der Top-Besetzung erst recht der Fall, Weltstars geben
sich die Hand. Sondra Radvanovsky ist die weltweit angesagte Floria Tosca,
die den Widersacher Scarpia aus Liebe zu ihrem Mario ersticht und nach
dessen Hinrichtung den Freitod wählt. Ihr Spiel ist inbrünstig, und ihr
voluminöser Sopran kann schneiden wie ein geschliffenes Küchenmesser. Das
dunkle Timbre in ihrer Stimme gleicht die manchmal spitzen Töne aus und
verleiht den tieferen Tonlagen knisternde Glut. In der Auseinandersetzung
mit dem Wüstling bebt die Bühne, sogar die vereinzelten Hustenanfälle im
Publikum verstummen angesichts des packenden Schauspiels und der enormen
Stimmgewalt. Radvanovskys «Vissi d'arte», vom vorgängigen Furor angeheizt,
gerät dann allerdings einen Tick zu grell.
Teufel Terfel
Bryn
Terfel ist der Teufel Scarpia und der britische Künstler fühlt sich
sichtlich wohl in der Rolle dieses machtgetriebenen Fieslings. Das Libretto
schrieben Giuseppe Giacosa und Luigi Illica nach dem Drama «La Tosca» von
Victorien Sardou. Der Baron und Polizeichef von Rom ist ein Zeitgenosse, der
Menschen gerne benutzt und sie danach möglichst effektvoll entsorgen lässt.
Sollte Terfel einmal aus irgendeinem Grund nicht mehr singen können oder
wollen, wäre er wohl der Traumbösewicht für so manchen Filmproduzenten. Mit
seinem maskulinen, kantigen Bassbariton und dem äusserst nuancierten Spiel
dominiert er das Geschehen und lässt einem das Blut in den Adern gefrieren
wie einst Anthony Hopkins als Hannibal Lecter.
Kaufmanns Juvenilität
Jonas Kaufmann ist nicht nur wegen seiner unvergleichlichen Stimme, die
er vom kaum hörbaren Hauchen ins Monumentale aufdrehen kann, ein angesagter
Opernstar. Der Mann beherrscht auch das differenzierte Spiel seiner Partien,
das nie ins Kitschige driftet und sich ebenso wenig im Rampensingen
erschöpft. Als Cavaradossi zeigt er die ganzen Schattierungen dieser
vielschichtigen Rolle, und sie reichen vom humorvollen Geplänkel mit seiner
Angebeteten bis hin zur Furcht vor Folter und Tod durch den Kontrahenten
Scarpia. Dass er die Rolle mit Anfang 50 noch so gut beherrscht, liegt auch
daran, dass weder sein Gestus noch die Juvenilität seiner Stimme gelitten
haben. Nur allzu gerne sähe man den Zaubertenor in Zürich in der Rolle des
Loris in Umberto Giordanos Drama «Fedora» oder eines anderen geschmeidigen
Opernhelden.
Spannung bis zum Schluss
Gianandrea Noseda, der
neue Generalmusikdirektor am Opernhaus Zürich, führt die Philharmonia Zürich
mit energischer Hand und hält dadurch die innere Spannung des Dreiakters bis
zum Schluss aufrecht. Es ist ebenso ein warmer, vollmundiger Orchesterklang,
der die dramatischen Ausbrüche gezielt platziert, bei den Tempi nicht
nachlässt und die Instrumentensoli mit Cello oder Klarinette formschön
hervorhebt. Der Chor unter Ernst Raffelsberger strahlt im Te Deum mit
geballter Inbrunst. Der Schlussapplaus will nicht enden, die Jubelrufe auch
nicht. Ein Fest für Fans und solche, die es noch werden möchten. E lucevan
le stelle. Und es blitzen die Sterne.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|