|
|
|
|
|
Opera Online, 9. Februar 2022 |
Dr. Helmut Christian Mayer |
|
Peter Grimes, Wiener Staatsoper, ab 26.1.2022
|
Benjamin Brittens „Peter Grimes“ an der Wiener Staatsoper: Im Teufelskreis des Außenseitertums |
|
Es ist die tragische Geschichte eines Außenseiters an der Küste Englands,
der aus dem Teufelskreis der unerbittlichen, sozialen Ächtung keinen Ausweg
mehr findet und letztlich sich mit dem eigenen Boot weit draußen am Meer
versenkt: „Peter Grimes“ von Benjamin Britten. Jetzt wurde die Oper an der
Wiener Staatsoper wiederaufgenommen. Es ist die von Christine Mielitz
stammende und schon einige Jahre nicht mehr gezeigte Inszenierung aus 1996,
die auch heute noch von vielen als ihr bester Wurf hier am renommierten
Opernhaus in Wien bezeichnet wird.
Präzision in der Personenführung,
große atmosphärische Stimmigkeit bei den einzelnen Szenen und eine ungeheure
Spannungsgeladenheit zeichnen die Arbeit der deutschen Regisseurin aus. Mit
blauem und grünem Neonlicht werden die Bilder umrandet. Starke Bilder erlebt
man etwa im Gerichtssaal mit einer grauen, anonymen Masse, wo das
umgekommene Kind als bittere Anklage aufgebahrt ist. Oder die Fischer sitzen
auf Bootsbänken, die sanft auf und abschaukeln. Oder ein bedrohlich roter
Himmel verheißt nichts Gutes (Ausstattung: Gottfried Pilz). Lebendig werden
die Massen und die Protagonisten geführt, wobei Mielitz den Titelhelden eher
als unglücklichen Außenseiter, denn als Bösewicht zeichnet, der an seinem
Lebenstraum durch exzessives Fischen so viel Geld verdienen will, dass er
Ellen Orford heiraten kann, scheitert.
Gesungen wird dieser von Jonas
Kaufmann. Es ist sein Debüt in dieser fordernden Partie: Er liefert sowohl
mit der nötigen Sensibilität bei den feinen Tönen als auch mit allen nötigen
Höhen eine unglaublich, expressive und wortdeutliche Rollengestaltung der
geschundenen Kreatur ab, die einem nicht kalt lässt. Sein baritonal
umschatteter Tenor passt gut zu diesem düsteren Charakter. Sein sanfter
Engel heißt Lise Davidsen und genauso singt sie die Ellen Orford auch:
Glasklar und samtweich in ihren wunderbaren Lyrismen, sie kann aber auch
kraftvoll aufdrehen und zwar so, dass sie mit ihrer gleißenden Soprankraft
auch alle Stürme überstrahlt. Die hochgewachsene Norwegerin ist der neue
Shootingstar der Opernszene. Man wird von ihr sicher noch viel im
Wagner-Fach hören. Bryn Terfel verfügt auch als Kapitän Balstrode, wie
immer, über eine enorme Bühnenpräsenz und singt ihn vokaler Wandelbarkeit
und hoher Durchschlagskraft. Noa Beinart singt die Auntie ideal. Wolfgang
Bankl ist ein stimmgewaltiger, recht gemütlicher Anwalt Mr. Swallow. Von den
vielen kleineren Rollen gefallen besonders Thomas Ebenstein als fanatischer
Prediger Bob Roles sowie Michael Arivony als kerniger Apotheker Ned Keen,
die meisten kleineren Partien sind auch alle adäquat besetzt.
Das
Meer rollen und rauschen in den genialen Zwischenspielen des britischen
Komponisten hört man spannungsgeladen beim Orchester der Wiener Staatsoper
unter der exzellenten und energischen Stabführung von Simone Young. Subtile
impressionistische Stimmungsbilder sind ebenso zu vernehmen wie exzessiv
ausbrechende und tobende Stürme.
Zum Schluss gibt es für alle
Beteiligten einen durchaus verdienten großen Jubel!
Nach dem Ende der
Oper wurden Jonas Kaufmann und Bryn Terfel von der Kunst- und der
Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer, die auch die Laudatio hielt, und dem
Staatsoperndirektor Bogdan Roscic zu Kammersängern ernannt. Simone Young
wurde Ehrenmitglied des Hauses. Im Rahmen der Auszeichnung wurde ihr auch
der Ehrenring der Wiener Staatsoper überreicht.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|