Liederabende, Wien, Theater im Park, 11. Juli, 3. und 8. August 2021
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Jonas Kaufmann und das Sticheln mit feinerer Klinge |
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Die gelegentlichen Sticheleien, die seine weich fließenden Interpretationen
von Wienerischen Liedern zuweilen auslösen, die steckt er still weg. Nicht
zuletzt, weil die Gemütslage zwischen Wienern und Münchnern gar nicht so
weit auseinanderklafft.
Beide haben einen Schmäh, beide können
virtuos granteln. „Die Bayern poltern mehr, der Wiener stichelt mit feinerer
Klinge. Das tut nicht weniger weh“, weiß Kaufmann, der schon längere Zeit
einen Wohnsitz in Wien hat. Dies nicht bloß aus pragmatischen Gründen.
„Schon auch aus Zuneigung zu Stadt und Land bin ich hierhergezogen. Und
natürlich aus Liebe zu meiner Frau, die seit über 20 Jahren hier lebt und
sich hier verwurzelt fühlt“, sagt Kaufmann. Hunger nach Kultur
Im
lauschigen Theater im Park gastiert er nicht zum ersten Mal. Er war schon im
Vorjahr hier. „Es war vergangenes Jahr ein Riesenerfolg. Das lag natürlich
am Hunger der Menschen nach Kultur und an der Tatsache, dass man nicht
verreisen konnte. Aber ich glaube, dass, egal, wie die aktuelle Covid-Lage
ist, die Leute kommen werden. Die Menschen haben eine Freude. In dem Moment,
in dem Oper und Burgtheater schließen, gibt es ein Vakuum in der Stadt“,
sagt Kaufmann. „Nicht jeder fährt in die Sommerfrische und wenn dann nicht
gleich für sechs Wochen. Die einzige Unwägbarkeit ist natürlich das Wetter.
Ich habe vergangenes Jahr zweimal Glück gehabt und hoffe heuer noch auf zwei
weitere Male Glück. Unter diesen Bäumen vergisst man total, dass man mitten
in der Stadt ist. Faszinierend!“
Seine heurigen Auftritte sind
zweigeteilt. Sie beginnen mit einem langen Medley von
Richard-Strauss-Liedern, bei denen er keinen Zwischenapplaus duldet. Danach
kommt der populäre Teil mit Operette und Wienerlied. Die retrospektive
Verklärung des eigenen Lebens zählt zu den Lieblingssportarten der Hiesigen.
Die großen Gefühle, die dabei entstehen, können in zwei diametrale
Richtungen ausschlagen.
Gutes Beispiel dafür sind die beiden
Filmschlager von Joseph Schmidt, die Kaufmann für sein Album „Wien“
ausgesucht hat. Das niederschmetternde „Es wird dir im Leben mehr genommen
als gegeben“ steht dem fidelen „Heute ist der schönste Tag in meinem Leben“
entgegen. „Das fröhliche Lied ist so was von überdreht, man kann es gar
nicht glauben. Und das andere ist eine ernüchternde philosophische Analyse,
die in einer Zeit geschrieben wurde, die wirklich schlimm war.“
Kaufmann balanciert stimmlich elegant zwischen den Extremen von himmelhoch
jauchzend und zu Tode betrübt.
Wie beglückend ist es für ihn nach den
Lockdowns, wieder vor Publikum singen zu können. „Man merkte in dieser Zeit,
wie abhängig man vom Publikum ist. Wie drogenhaft dieser Applaus ist. Und
wie sehr er einem auch Gradmesser dafür ist, die Qualität des Abends neu
auszurichten. Beim Streaming ist es schwer, gegen diese virtuelle Wand zu
singen, in der Hoffnung, dass irgendetwas durchdringt.“ Und doch hat er
seine Fans im Streaming beglückt. Etwa mit „Eine Dichterliebe“ von Robert
Schumann, die er gemeinsam mit dem Pianisten Helmut Deutsch aus der
Deutschen Staatsoper München ins Internet übertragen ließ. „Album hat den
Nerv getroffen“
„Viele sagten mir, das wäre die intensivste
Aufführung davon gewesen, die sie jemals gehört haben. Vielleicht auch, weil
es so existenziell ist, wenn man allein in diesem leeren Raum steht und
versucht, zu sich zu finden“, sagt Kaufmann. „Man macht es da ja mehr für
sich. Vielleicht lebt die Musik deshalb so groß auf?“
Kaufmanns Fans
gieren nach sämtlichen Äußerungen ihres Lieblings. Die Alben „Wien“ und noch
mehr „Selige Stunde“ fanden reißenden Absatz. „Selige Stunde“ ist ein Album,
das nur wegen Corona entstanden ist. „Es ist ein unheimlich bunter Mix. Was
sehr ungewöhnlich ist, weil man normalerweise versucht, mit wenigen
Komponisten auszukommen. Hier ging es nur um Stimmung. Das Album hat den
Nerv erstaunlich getroffen. In Österreich waren wir sogar auf Platz zwei der
Popcharts. Völlig wahnsinnig“, freut er sich.
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