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volksblatt, 19. April 2021 |
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Wagner: Parsifal, Wiener Staatsoper, 18. April 2021
(Stream, Aufzeichnung vom 11. April 2021)
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„Weißt Du, was Du sahst?“ |
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Die Wiener Staatsoper streamte ihren neuen „Parsifal“
Richard Wagners „Parsifal“, das von ihm selbst so genannte
„Bühnenweihfestspiel“, ist End- und Höhepunkt seines beispiellosen Schaffens
und eine bekannt beispiellose Herausforderung für alle Interpreten.
Schwerer als die Wiener Staatsoper konnte man es diesmal zusätzlich gar
nicht haben — die scharfen Corona-Bedingungen, die die Entstehung ebenso
behinderten wie die Live-Produktion verhinderten; ein Regisseur, der seine
Heimat nicht verlassen durfte und nur per Zoom aus Russland zugeschaltet
war; schließlich die Länge des Werks (auch ohne die beiden Pausen noch gut
über vier Stunden), die die übliche Ausstrahlung bei ORF III verhinderte und
das interessierte Publikum auf den Stream von ArteConcert verwies.
Aber solche Umstände und eine Besetzung mit zwei der absoluten Weltstars der
Oper brachte auch entsprechende Publicity, inklusive eines etwas
geschmäcklerischen „Einführungsabends“ des ORF.
Entscheidend ist
allerdings, was man als Aufführung in der Gestaltung des russischen
Regisseurs Kirill Serebrennikov sah, dem man bisher eher als
systemkritisches Opfer des Regimes denn als Regisseur begegnet ist. Nun, er
hat eine der heute üblichen „Übersetzungen“ geliefert. Parsifal kam von der
Gralsburg geradewegs ins Gefängnis.
„Weißt Du, was Du sahst?“ fragt
Gurnemanz an einer Stelle Parsifal, und als Zuschauer könnte man die Frage
nicht ernsthaft bejahen. Was Serebrennikov zusammengestoppelt hat, als
Rückblende-Erlebnis des alten Parsifal interpretiert (der solcherart in ein
altes und junges Ich verdoppelt wurde), brutale Gefängnisszenen, eine
Zeitungsredaktion, wo alberne Sekretärinnen statt Wagners Blumenmädchen
walten, wieder Gefängnis mit mühevoll konstruierter „Erlösung“.
Rätsel über Rätsel in zahllosen Details, vor allem in den Videosequenzen,
die schier unaufhörlich über der Bühne laufen, die nicht aufzuschlüsseln
sind, und vor allem kein sichtbarer Zusammenhang mit Wagners Handlung und
dem, was man auf der Bühne sieht — eine typisch heutige Inszenierung, die im
allgemeinen viel Lob im Feuilleton findet und beim Publikum (zumal bei
Wagner-Kennern) nur Kopfschütteln hervorrufen kann.
Grandios: Elina
Garanca und Jonas Kaufmann Zumindest ist der Abend nicht zur Parodie
entartet. Und wenn man die Augen schließt, eine hörenswerte Aufführung, die
der Musikdirektor des Hauses, Philippe Jordan, wirkungsvoll, aber nicht
effekthascherisch geleitet hat, den Musikteppich unter ein Geschehen legend,
das zumindest von den Sängern der Hauptrollen erfüllt wurde Denn Jonas
Kaufmann als Titelheld war glänzend wie selten in Ausdruck und der
Gesangslinie, und Elina Garancas Kundry-Debut gelang brillant, wenn die
Figur, die sie spielen musste (Kundry, die Wagner’sche Zauberin, als
Journalistin), auch nicht wirklich Hand und Fuß hatte.
Solide
Besetzungen in den anderen Rollen, die von der Regie her in den Hintergrund
gedrängt wurden. Alles in allem — über weite Stecken durchaus fesselndes
Theater, aber „Parsifal“? |
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