Luzerner Zeitung, 31.01.2020
Fritz Schaub
 
Konzert, "Mein Wien", Luzern, 30. Januar 2020
Jonas Kaufmann im KKL: Packende Liebeserklärung an Wien
 
Beim Auftritt von Jonas Kaufmann im KKL brauchte es Geduld. Doch dann schöpfte der Startenor aus dem Vollen.

Anhänger der Ritter des hohen C werden derzeit in Luzern regelrecht verwöhnt. Kaum war der Peruaner Juan Diego Florez hier, kam mit Jonas Kaufmann ein weiterer Spitzentenor ins KKL, den viele nicht zu Unrecht für den König der Tenöre halten. Dies kraft seines grossen, vielfältigen Repertoires, das vom Liedgesang bis zu den heldischen Partien Verdis und (vorerst) des mittleren Wagner reicht. Ende März ist sogar die lebende Legende Placido Domingo angesagt, der es in seiner Glanzzeit leider nie ins KKL geschafft hat.

Schon mit der ersten Darbietung gewinnt Jonas Kaufmann am Donnerstagabend das Publikum im nicht ganz ausverkauften Saal. Sonor grundiert, in weiten Phrasen und mühelos strahlend schraubt sich die baritonal verankerte Stimme in die Höhe: Wie man es von Kaufmann kennt. Gleich zu Anfang bietet er das Lied des Herzogs aus der Operette «Eine Nacht in Venedig» von Johann Strauss Sohn. Dabei bangt man zunächst um die Stimmverfassung, denn Kaufmann kämpft anfänglich mit einem kleinen «Frosch im Hals». Mit hervorragender Technik umschifft er die lästige Störung, die sich im Laufe des Abends vollends legt.

Goldene Operette im ersten Teil

Doch ist nicht Wien anstatt Venedig angesagt? Keine Bange, im zweiten Teil kommt sie reichlich – die Liebeserklärung an die Donau-Metropole. In Raten ist sie schon im ersten Teil gegenwärtig, der dem Operettenkönig Johann Strauss gehört – im wundervoll getragen und einschmeichelnd gesungenen Walzerlied «Draussen im Sievering blüht schon der Flieder» aus der wenig bekannten Strauss-Operette «Die Tänzerin Fanny Elssler».

Mit «Guete Obig» hat Jonas Kaufmann das Publikum begrüsst. Denn als früheres Ensemblemitglied des Opernhauses Zürich kennt er sich auch im Schweizerdeutschen aus. Aber es gibt noch einen andern Aufhänger für den Kontakt mit dem Publikum: die Erklärung der technischen Anlage mit Mischpult, Mikrofonen und herunterhängenden Lautsprecherboxen. Der Künstler rechtfertigt dies mit dem Umstand, dass in den zwölf Städten, durch die seine Wien-Tournee geht, nicht überall hervorragende Säle seien. Zudem handle es sich hier ja um eine Art Schlager.

Doch Kaufmann singt diese gerade nicht in Schlagermanier: Er macht aus einem Operettenevergreen eine grosse Szene, in der er seine ganze Stimmpracht verströmen kann wie im Lied «Zwei Märchenaugen» des Mister X aus Emmerich Kalmans «Zirkusprinzessin». Mister X leidet zunächst Qualen wie der verzweifelte Spassmacher Canio in seiner Arie «Vesti la giubba» in Leoncavallos «Pagliacci», bevor dann die Erlösung kommt und die Operettenseligkeit sich doch noch einstellt.

Lebensphilosophie der Wiener

Überraschend bewährt sich die Mikrofonanlage ausgerechnet bei den Wiener Liedern, drei an der Zahl; zwei Evergreens des Urwieners Robert Stolz und das unsterbliche «Wien, Wien, nur du allein» von Rudolf Sieczynski. Bei den vier Zugaben kommt das Stück, das neben «Sag zum Abschied leise Servus» wohl am besten die Lebensphilosophie der Wiener ausdrückt: «In einem kleinen Café in Hernais», mit zurückhaltender Stimme gesungen, von einer reduzierten Streicherbesetzung der sonst in grosser Besetzung auftrumpfenden Prague Philharmonia (Dirigat: Jochen Rioeder) begleitet. Man versteht jedes Wort, hört jede kleinste Nuance, selbst das Pfeifen wird zur wundersamen Melodie. Und Kaufmanns idiomatische Färbung des Wienerischen ist erstaunlich.

In die Sphäre des Schlagers reicht erneut «Heut‘ ist der schönste Tag in meinem Leben» von Hans May, seinerzeit auch vom 1942 in der Schweiz verstorbenen jüdischen Sänger Josef Schmidt dargeboten. Das mitreissende Stück animiert zum Mitklatschen. Wieder ins Zauberreich der Operette führt das bekannte Duett «Schenkt man sich Rosen im Tirol» aus Karl Zellers «Vogelhändler», eines von vier Duetten, welche den Rahmen beinahe sprengen.

Die südafrikanische Sopranistin Johanni Van Oostrum harmoniert dabei mit Jonas Kaufmann sowohl stimmlich wie schauspielerisch glänzend. Und mit ihrem einzigen Solovortrag, dem herrlich aufblühenden Vilja-Lied aus Franz Lehars «Die lustige Witwe» mit einem befreit und butterweich in den Raum gezauberten Spitzenton sorgt sie für einen der Höhepunkte des Abends. Sie lässt das Publikum mitsummen.

Ja, die Melodien der oft geschmähten leichten Muse haben ihren ganz eigenen betörenden Zauber bewahrt. Das haben mehr denn je auch grosse Dirigenten erkannt. Und in ihrem Schlepptau grosse Sänger wie Jonas Kaufmann, der an Silvester 2018 in Dresden den Eisenstein in einer konzertanten Wiedergabe der «Fledermaus» verkörperte. Daraus bietet er mit seiner famosen Partnerin auch im KKL eine willkommene Kostprobe.




 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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