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Die Presse, 18.August 2020 |
von Wilhelm Sinkovicz |
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Schubert: Die schöne Müllerin, Grafenegg, 16. August 2020
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Kein Regen, nur der Bach rauschte für Schuberts Müllerin |
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Festival Grafenegg. Nach Startschwierigkeiten musiziert man doch im Wolkenturm: Jubel um Kaufmann und Helmut Deutsch |
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Da konnten sogar Erinnerungen wach werden. Das Festival in Grafenegg blickt
nun schon auf eine gute Tradition zurück, und gerade Franz Schuberts „schöne
Müllerin“ spielt darin eine Rolle: Der Hausherr selbst, Rudolf Buchbinder,
begleitete einst bei einer frisch zupackenden, menschlich berührenden
Wiedergabe des Liederzyklus durch Michael Schade - im damals recht neuen
Festspielhaus. Und man staunte damals, wie gut sich diese eigentlich für den
kammermusikalischen Hausgebrauch maßgeschneiderte Liederfolge im großen Saal
machte.
Von Intimität konnte diesmal ebenso wenig die Rede sein wie
damals; Jonas Kaufmann und Helmut Deutch erschienen auf dem Podium des
Wolkenturms, Barbara Rett moderierte für die vielen Zuschauer, die live via
ORFIII dabei waren.
Und doch stimmten die Dimensionen irgendwie. Denn
Kaufmann ist ein Tenor, der auch die sprichwörtlichen „kleinen Dinge“, die
Hugo Wolf in ähnlich feinsinnigem Ton besungen hat ins Große zu wenden
vermag, ohne dass sie dabei die Form verlieren. Sein Pianissimo-Hauch macht
sich den Hörern schließlich auch via Mikrofon als Mittel inniger
Introspektion verständlich.
Intimität mal tausend
Überdies kommt Kaufmanns Schubert-Gesang eher aus jenen stilistischen
Regionen, die einst Bariton-Kollege Dietrich Fischer Dieskau besetzte. Von
der improvisatorischen Natürlichkeit des vom Volkslied herkommenden, wenn
auch vollkommen veredelten Liedgesangs – den man sich zu Schuberts Zeiten
noch häufig mit Gitarrenbegleitung im kleinstem Kreis dachte – sind wir
schon dank Kaufmanns eigenwilliger, vollkommen kalkulierter Gesangstechnik
mit ihren kehligen Abmischungen von Kopf- und Bruststimme weitestmöglich
entfernt. Und doch „geht“ die „schöne Müllerin“ im Wolkenturm. Denn Kaufmann
und sein kongenialer Partner modellieren den Zyklus als Produkt höchster
Kunstfertigkeit – und zwar so klar und deutlich, dass der Hörer jede Silbe
des Textes verstehen und ihre musikalische Umsetzung erfassen kann.
Die Wortdeutlichkeit Kaufmanns ist exzeptionell, wenn nicht einzigartig.
Wenn auch diese Tugend sich für die Festivalbesucher in der weiten in
Parklandschaft im Wind verlieren mag, er kann die Geschichte vom verliebten
Müllerburschen mit allen Nuancen „erzählen“ und darf sich auf Helmut Deutsch
verlassen, der dazu Schubert spielt, mit den nötigen sprechenden
Modulationen - nicht nur in harmonischer Hinsicht: Man höre, wie er die
bange Frage des Sängers in den „Trockenen Blumen“ mit einer behutsamen
Temporückung in der Echo-Phrase des Klaviers „beantwortet“.
Manch
dramatische Aufwallung hatte da längst Applaus mittendrin provoziert, aber
die Konzentration des vollzählig erschienenen Publikums nicht
beeinträchtigen können.
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