Die Presse, 16.10.2019
VON THERESA STEININGER
 
Konzert, Wien, 14. Oktober 2019
Dieser Bayer kann gut wienerisch singen
 
Konzerthaus.Jonas Kaufmann findet in seinem - auch auf CD erschienenen - „Wien"-Programm für jedes Stück den passenden Tonfall. So wurde der Abend bei allen Klischees nicht zur picksüßen Überdosis.
 
Der Abend sei keine „gmahde Wiesn" gewesen, sagte der bayerische Tenor Jonas Kaufmann am Ende seines „Wien"-Programms im Großen Saal des Konzerthauses - und meinte damit ein paar kleine Textaussetzer, die er sowieso charmant überspielt hatte. Manch einer, der Kaufmanns Absagen vor dem Sommer noch im Kopf hatte und sich vielleicht über dessen Rückbesinnung auf Stolz, Strauß Sohn und Kálman wunderte, mag sich aber gefragt haben, ob er auch seine Stimme betreffend Bedenken gehabt hatte.

Etwas verhalten begann es jedenfalls, „Sei mir gegrüßt, du holdes Venezia" und „Ach wie so herrlich zu schau'n" wirkten in den Höhen zuerst etwas fahl und ließen Leichtigkeit und das typische Timbre Kaufmanns vermissen. Im Uhren-Duett aus der „Fledermaus" ließ er Rachel Willis-Sørensen im Vordergrund stehen, die später auch in Lehárs Vilja-Lied mit viel Sentiment und glasklarem Sopran gefiel. Doch schon in „Draußen in Sievering blüht schon der Flieder" fand er zur gewohnten Form, phrasierte elegant, legte die Fülle seines edel-dunklen Tenors in dieses Walzerlied und endete mit guten Spitzentönen. Auch zu „Im Prater blüh'n wieder die Bäume" von Robert Stolz und zur heimlichen Hymne „Wien, du Stadt meiner Träume" (besser bekannt durch den Refrain „Wien, Wien, nur du allein") von Rudolf Sieczynski passten seine schmelzende Zartheit gepaart mit dem weichen, dunkel gefärbten Timbre ideal, innig ließ er Wien „erst bei Nacht" schön werden.

Die Diphthonge stimmen
Wie aber klingen die Texte, wenn ein Bayer Wienerisches singt? Hier hat Kaufmann den großen Vorbildern offenbar genau zugehört. Wirkte das „Ocht" im Uhren-Duett noch etwas aufgesetzt, so leiert sein „ei" in „allein" und „meiner Träume sein" bei „Wien, du Stadt meiner Träume" herrlich altmodisch und sorgt für den Patina-Effekt. Auch bei Hermann Leopoldis „In einem kleinen Café in Hernals" traf er den richtigen, zugleich legeren wie leicht anzüglichen Tonfall.

Wermutstropfen war der hemdsärmelige, wenig walzerselige Zugang der begleitenden Prague Philharmonia, die Walzer und Polkas in Hau-Ruck-Manier präsentierte. Es mag eine Herausforderung sein, in Wien Melodien zu spielen, die hier jeder mit der Muttermilch verabreicht bekommt. Aber dass das Orchester etwa bei „Rosen aus dem Süden" zu besonders rasantem Tempo antrieb, um dann höchst abrupt abzubremsen, mit wenig Gefühl für Zwischentöne spielte, über Feinheiten drüberfuhr und die Polkas allzu brav nach Metronom und zu wenig ,,hatschert" gab, störte doch. Die CD „Wien", aus der Kaufmann das Programm speiste, hat er übrigens mit den Wiener Philharmonikern aufgenommen ...

Kaufmann gab fünf Zugaben, darunter auch ein glasklar intoniertes „Schenkt man sich Rosen in Tirol" mit Willis-Sørensen sowie ein von viel Gefühl, auch fürs rechtzeitige Zurücknehmen, und warmem Timbre erfülltes „Sag zum Abschied leise Servus". Schließlich, nach Überreichung des Goldenen Rathausmannes durch den Bürgermeister, entließ Kaufmann das begeisterte Publikum mit Georg Kreislers herrlich larmoyantem „Der Tod, das muss ein Wiener ein".


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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