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Bachtrack, 15 Juli 2019 |
Von Isabella Steppan |
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Verdi: Otello, Bayerische Staatsoper, 12. Juli 2019
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Häusliche Gewalt vor schöner Klangkulisse: Otello an der Bayerischen Staatsoper |
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Beklemmend zeitlos ist das Thema von Giuseppe Verdis 1887 uraufgeführtem
Otello. Auch heute noch werden Jahr für Jahr unzählige Frauen von ihren
Partnern ermordet, und so hat Amélie Niermeyer ihre Inszenierung an der
Bayerischen Staatsoper im Hier und Heute angesiedelt und nicht den
titelgebenden Otello, sondern die von ihm getötete Desdemona in den
Mittelpunkt gestellt.
Die Regisseurin zeichnet diese dabei zu keiner
Zeit als unterwürfiges Opfer, sondern als selbstbewusste Frau, die ihrem
Mann bestimmt entgegen tritt, aber schließlich aus dem Teufelskreis dieser
Beziehung nicht ausbrechen kann. Otello ist in dieser Lesart kein
strahlender Held, sondern ein traumatisierter Veteran, der an der Rückkehr
in den Alltag zerbricht. Die von Shakespeare erdachte Allegorie des Bösen,
Jago, wird auf der Bühne der bayerischen Staatsoper an diesem Abend ebenso
mit menschlichen Gefühlen – wenn auch der unschönen Sorte – ausgestattet;
ihm scheint die Beziehung Otellos zu Desdemona aus ganz egoistischen Gründen
gegen den Strich zu gehen, hat er doch wohl selbst ein Auge auf diesen
geworfen. Der intensiv ausgearbeiteten Personenregie steht ein kahles, sich
nicht immer ganz in Logik erschließendes, Bühnenbild in Form eines sich nach
jedem Akt drehenden Schlafzimmers gegenüber, das über weite Teile des Abends
zwar nicht stört, aber auch nicht viel zur Interpretation der Geschichte
beiträgt.
Ganz auf Linie mit der psychologisierenden Inszenierung
präsentierte sich Kirill Petrenkos Dirigat bei den Münchner
Opernfestspielen. Energiestrotzende Wucht ist seine Sache nicht, selbst in
den monumentalen Chorpassagen ist elegante Zurückhaltung Programm und so
wurde etwa aus dem anfänglichen Unwetter eher ein wohltuendes Gewitter an
einem Sommernachmittag. Bestechend schön gerieten daher auch die sanften
Momente, etwa die Einleitung zum Liebesduett im ersten Akt, die dank großer
Cello-Gefühle golden schimmerte und die Zeit zum Stehen brachte. Am Pult des
Bayerischen Staatsorchesters achtete er auf jedes noch so kleine Detail der
Partitur und schuf mit den Musikern im Graben ein transparentes Klangbett
für die Sänger auf der Bühne, die er regelrecht auf Händen trug und somit
nie zum Forcieren verleitete.
In der Titelpartie stand, wie bereits
bei der Premierenserie im Winter, Jonas Kaufmann auf der Bühne. Die
Interpretation der Regisseurin setzte er einwandfrei um und spielte den
neben sich stehenden Kriegsrückkehrer überzeugend. Durch das differenzierte
Dirigat von Petrenko war sein immer dunkler werdender Tenor weniger im
heldischen Forte, dafür mehr in den Piani gefordert, was meist ausgezeichnet
funktionierte, das „Dio mi potevi“ dann aber doch larmoyant werden ließ.
Kaufmanns Timbre ist und bleibt Geschmackssache, seine Stärken kann er in
anderen Rollen besser ausspielen, aber mittlerweile ist er merklich in der
Rolle angekommen. Seine Bühnenpartnerin Anja Harteros konnte zwar schon im
ersten Akt die charakteristisch schwebenden Piani ihres Soprans und ihre
Phrasierungskunst unter Beweis stellen, so richtig in ihrem Element war sie
dann in Desdemonas großer Szene im vierten Akt. Man kann es drehen und
wenden, wie man will: Niemand betet auf der Bühne so berückend und innig wie
Anja Harteros. Beim Lied von der Weide und dem Ave Maria konnte ihre Stimme
engelsgleich timbriert in höchste Verdi-Sphären entströmen und beinahe
dachte man, dass sie damit auch Otello noch erweichen würde. Zwischen
Kaufmann und Harteros stimmt die Chemie bekanntlich, nicht nur die
darstellerische, sondern auch die vokale. So verbanden sich die Stimmen im
Duett ideal und boten einander in den Konfrontationen des dritten und
vierten Akts eindrucksvoll Paroli. Dabei war es Anja Harteros, die mit ihrer
Interpretation der Desdemona dem Abend noch das zusätzliche Quäntchen Star-
und Stimmglanz verlieh.
Beinahe zu schön für die Rolle des Bösewichts
Jago ist die Stimme von Gerald Finley; sein Bariton floss schmeichelnd dahin
und stachelte samtig wie Merlot timbriert die Eifersucht Otellos an. Diese
Passagen der hinterhältigen Intrige waren es auch, die ihm besonders gut in
der Kehle lagen, denn das Credo hätte – obgleich es ganz hervorragend klang
– ein Mehr an Dämonie ganz gut vertragen. Aus der Riege der durchwegs
ausgezeichnet besetzten kleineren Rollen stach Evan LeRoy Johnsons Cassio
mit seinem strahlend timbrierten Tenor besonders hervor; man konnte
definitiv nachvollziehen, warum Otello diesen jungen Mann als ernsthafte
Konkurrenz erkannte. Auf höchstem Niveau agierte auch der Chor der
Bayerischen Staatsoper, der mit Präzision und Klangschönheit bestach und
sich so den Solisten ideal zur Seite gesellte.
Musik und Theater
verschmolzen an diesem Abend zu einem Ganzen, die Sänger erfüllten ihre
Rollen mit Leben und ließen das Geschehen auf der Bühne dadurch
gleichermaßen faszinierend und erschreckend real wirken. Ja, die Geschichte
des Mohren von Venedig kann auf ein heutiges Publikum veraltet und
irrelevant wirken, wird Otello aber so packend erzählt, wie nun an der
Bayerischen Staatsoper, ist Verdis Oper auch 2019 noch brandaktuell.
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