Abendzeitung, 25.01.2019
Michael Bastian Weiß
 
Beethoven: Fidelio, Bayerische Staatsoper, ab 24.1.2019
Kirill Petrenko dirigiert "Fidelio"
 
Kirill Petrenko dirigiert in der Staatsoper Beethovens „Fidelio“ mit Anja Kampe und Jonas Kaufmann
 
Wenn ein so skrupulöser Musiker wie Kirill Petrenko eine Oper zum ersten Mal dirigiert, darf man davon ausgehen, dass er sich im Vorfeld viele Gedanken gemacht hat. Zumal, wenn es sich um ein so isoliert dastehendes und vielschichtiges Werk wie Beethovens „Fidelio“ handelt.

Da überrascht es doch ein wenig, dass er bei seinem Werkdebüt anlässlich der Wiederaufnahme an der Staatsoper nicht spezifischer auf die Charakteristik der einzigen Oper des Komponisten eingeht. In der gut acht Jahre alten Inszenierung von Calixto Bieito steht die dritte der „Leonoren“-Ouvertüren am Beginn. Petrenko vertieft deren quälend langsame Einleitung nicht über Gebühr und ist dann recht schnell bei einem leichtfüßigen Musizieren angelangt, einem schwerelosen Vivace, das er mit seinen charakteristisch fließenden Bewegungen am Laufen hält.

Weil er die Streicher stets zügelt, sind es hier die brillanten Bläser, die den Klang dominieren. Das passt hervorragend zum spielopernhaften Beginn des „Fidelio“. Doch es geht ja bekanntlich ein Riss durch dieses Stück. Für die nach der komödienhaften Einleitung aufbrechende Tiefe, die nach orchestraler Wucht förmlich schreit, erweist sich Petrenkos Sorglosigkeit als nur bedingt geeignet.

In Höchstform
Die düstere Szene, in der die unfreiwilligen Schergen das Grab ausheben, wird hier von Kanten und Widerhaken befreit, der Jubel des Schlussbildes dann wird nicht gewaltsam errungen, sondern stellt sich auf recht unproblematische Weise ein. Petrenkos natürlicher Musizierstil schweißt die Oper zu einer Einheit zusammen. Ihre einkomponierten Brüche aber werden dabei planiert.

Die Sänger der leichten Rollen können sich in dieser Atmosphäre ungezwungen entfalten, allen voran das bezaubernde jugendliche Paar, Hanna-Elisabeth Müller als Marzelline und Dean Power als Jaquino. Günther Groissböcks Belcanto sowie seine phänomenale Tiefe, die sich selbst in den Tutti noch durchsetzt, wertet den Rocco ungeahnt auf, während Tareq Nazmi ein mehr als verlässlicher Don Fernando ist. Und Jonas Kaufmann kann bei seinem Auftritt als Florestan den gefürchteten Verzweiflungslaut mit sensationeller Stimmbeherrschung aus dem Nichts entwickeln. Derart in Höchstform, macht er es später seiner Duettpartnerin Anja Kampe als Leonore ungewollt schwer zu glänzen. Sie ist offenbar stimmlich angeschlagen, ihre Spitzentöne bewältigt sie nicht ohne Mühe, was sie durch kluge Phrasierung und ausdrucksvolles Sprechen nur teilweise wettmachen kann.

Wolfgang Koch schließlich gibt mit instabiler Tiefe einen müden Don Pizarro, sein bloß gediegener Gesang macht ihn zu einem Schreibtischtäter. Sowohl sängerisch als auch orchestral sehen sich in dieser Aufführung des „Fidelio“ dessen beunruhigend düsteren Elemente einen Tick zu leicht genommen.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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