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Klassik begeistert, 18. März 2018 |
von Sebastian Koik |
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Puccini: Tosca, Hamburger Staatsoper, 17. April 2018
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Giacomo Puccini, Tosca |
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Die Star-Sängerin spielt die Star-Sängerin. Es ist ihre Rolle: Anja Harteros
ist als Floria Tosca eine Sensation! Besser als sie kann man diese Rolle
nicht singen und spielen. Tosca ist eine der am häufigsten aufgeführten und
meist besuchten Opern. Und niemand auf der Welt gibt diese
leidenschaftliche, eifersüchtige und starke Bühnenfigur Tosca besser als die
Deutsch-Griechin.
Beim ersten Auftritt löst sie in Sekunden Gänsehaut
aus. Ihre ungemein dichten Höhen strahlen mannigfaltig, funkeln komplex und
wundersam in viele Richtungen. Ihre Mittellagen und Tiefen sind ebenfalls
vollkommen. Anja Harteros begeistert in der Staatsoper Hamburg mit
Intensität, herrlicher Cremigkeit und exzellenter dramatischer Ausgestaltung
und Nuancierung. Frau Harteros’ Stimme klingt golden und warm. Die
Wunder-Sopranistin kann auch die höchsten Höhen sehr geerdet klingen lassen.
Alles hat ein solides Fundament, alles ist genau richtig. Und alles klingt
bei ihr absolut natürlich, sieht so unfassbar leicht aus. Anja Harteros‘
Tosca ist vollkommen souverän, von grandioser Selbstverständlichkeit … und
unglaublich schön. Diese Frau kann alles. Ihre Sangeskunst ist ohne
Schwächen.
Anja Harteros singt und redet wie eine Italienerin, sie
bewegt sich wie eine temperamentvolle Italienerin, sie strahlt Leidenschaft,
Feuer und Kraft aus, sie spielt die launische Diva mit Perfektion in jeder
Geste, Toscas Eifersucht gestaltet sie bis ins kleinste Detail. Harteros
wirft Blitze der Eifersucht in den Saal und füllt die Staatsoper bis in die
kleinsten Winkel mit Tosca-Emotionalität.
Ihre Bühnenpräsenz ist
gewaltig! Diese Frau hat Aura und verzückt in jedem Augenblick das Publikum,
löst immer wieder Gänsehaut und Kälteschauer aus. Wenn diese Floria Tosca
ihrem Mario am Ende erzählt, wie sie dem Peiniger Scarpia das Messer ins
Herz stach, dann sind das nicht nur Worte! Es hört und fühlt sich an, als
wäre man noch einmal dabei, wie sie Scarpia erdolcht, diesmal mit der
gewaltigen Kraft ihrer Stimme.
Beim Opernereignis des Jahres in der
1,8 Millionen-Einwohner-Metropole Hamburg begeistert und berührt Jonas
Kaufmann als Caravadossi mit einer dichten Stimme in allen Tonlagen. Ganz
besonders in der Mittellage glänzt der Star-Tenor. Kaufmanns Gesang ist
reich an Gefühl, sein Vibrato klingt herrlich elegant und schön. Sein Atem
ist scheinbar endlos.
Es fasziniert, wie Jonas Kaufmann aus der
warmen Tiefe kommen kann und vollendet geschmeidig und schön in zarthelle
Höhen fließt … um am Ende der langen Strecke noch herrlich fein modellierte
Glanzlichter oben draufzusetzen. Die feinen, lyrischen Passagen gestaltet er
ganz besonders wunderbar! Auch im ganz Leisen bleibt seine Stimme ungemein
präsent und schwebt über dem Orchester.
Sein Bühnenspiel ist
faszinierend lebendig, natürlich und schön …. und an Bühnenpräsenz und Aura
mangelt es Herrn Kaufmann ganz gewiss auch nicht!
Harteros und
Kaufmann bilden zusammen das aktuelle Traumpaar der Oper. Die Darstellung
ihrer Beziehung ist von herrlicher Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit.
Sie umarmen sich ganz offensichtlich nicht zum ersten Mal auf der Bühne.
Ihre Vertrautheit miteinander ist deutlich spürbar. Wenn beide im Duett
zusammen singen, entfachen sie gewaltigen Zauber. Ihre Stimmen fließen auf
das Wunderbarste ineinander und umschmeicheln sich gegenseitig.
Franco Vassallo komplettiert das Hauptdarsteller-Trio als bärenstarker
Scarpia. Er ist souverän im Gesang, mit wunderschönen warmen Tiefen und
langem Atem. Bösartig, durchtrieben, giftig, „sehr gut“.
Die
Inszenierung ist sehr traditionell, hat sich bewährt. Und ganz besonders an
einem Abend wie dieser starbesetzten 85. Vorstellung dieser Tosca seit dem
Jahre 2000 ist man doch sehr, sehr dankbar, von keinen ungeschickten
Regie-Einfällen von der großen Sangeskunst von Anja Harteros und Jonas
Kaufmann abgelenkt zu werden.
Der Chor begeistert mit großer Energie,
Präzision, tragischer Dichte und klanglicher Schönheit. Das wunderbare
Kollektiv ist der heimliche Star des Hauses und sorgt auch an diesem Abend
wieder für Überwältigung und großes Gefühl.
Die Tosca bekommt in
dieser Saison in Hamburg einen italienischen Dirigenten, was im Vorfeld gut
und vernünftig klingt. Das Dirigat überzeugt allerdings nur teilweise. Man
vermisst, nun ja, Italianità.
Dem Orchester unter Pier Giorgio
Morandi fehlt es in vielen Situationen an Spritzigkeit, Frische,
Beweglichkeit. Auch unter dem Italiener agiert das Orchester nicht wirklich
temperamentvoll italienisch, sondern oft zu zögerlich, zaghaft, bieder,
mutlos und mit zu wenig Dynamik.
Die große Linie gelingt aber sehr
gut, der Spannungsbogen gerät nie in Gefahr. In getrageneren Passagen und
den großen Melodien der Oper begeistert das Orchester wie so oft auch an
diesem Abend! Das Orchester erzeugt teilweise herrlich zarte und weiche
Kollektivklänge, es gelingt die Gestaltung von schönstem Pathos. Gegen Ende
wird das Orchester immer besser und besser, und man wollte gerne länger
zuhören.
Doch leider geht das nicht: Scarpia, Mario, Floria: Alle
sind sie tot.
Die Begeisterung vor allem für Anja Harteros dagegen
lebt … und wird mit jedem Auftritt dieser wunderbaren Künstlerin größer.
Das beglückte und beseelte Hamburger Publikum bedankt sich ganz und gar
nicht hanseatisch zurückhaltend mit einem Jubelorkan und Bravo-Gewitter.
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