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Die Rheinpfalz, 18. Mai 2018 |
Von Frank Pommer |
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Konzert, 16. Mai 2018, Stuttgart, Liederhalle
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Jonas Kaufmann beendet Tournee |
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Nicht zum ersten Mal begleitete die Deutsche Staatsphilharmonie
Rheinland-Pfalz einen absoluten Weltstar der Klassikszene auf einer Tournee.
Am Mittwochabend sang Startenor Jonas Kaufmann in der Stuttgarter
Liederhalle sein französisches Programm „L’Opéra“, und das Orchester aus
Ludwigshafen war ihm unter der Leitung von Jochen Rieder ein zuverlässiger
Begleiter.
Große Stimmen leben nicht von ihrer Schönheit alleine. Im
Gegenteil. Manchmal kann zu viel Schönheit auch langweilen. Nun geht es bei
einem Ausnahmesänger wie dem Tenor Jonas Kaufmann natürlich oft genug um
Schönheit. Gemeint sind dann allerdings eher die äußeren Werte. Der
gepflegte Dreitage-Bart, die lockigen Haare, der tiefdurchdringende Blick,
überhaupt sein leicht latinohaftes Äußeres sorgen bei so manchem weiblichen
Klassikfan schon für Herzwummern, noch bevor der 48-Jährige überhaupt einen
Ton gesungen hat.
Auch Jonas Kaufmanns Stimme ist schön, das muss man
nicht mehr betonen. Eine Binsenweisheit. Aber sie ist eben nicht nur schön.
Sie ist mehr als schön. Der Tenor vermag unfassbar viele Farben in seine
Stimme zu legen, die dabei immer diesen warm-grundierten Unterton behält.
Mal klingt sie heldisch, strahlend, wirkt dann überwältigend; dann fast
schon zerbrechlich, ja brüchig, gerade wenn er ins Pianissimo wechselt.
Registerwechsel versucht er erst gar nicht zu überspielen beziehungsweise zu
übersingen. Er steuert sie bewusst an und unterstreicht sie somit noch.
Zudem ist Kaufmann der wohl derzeit vielseitigste Tenor. Er lässt sich
einfach nicht festlegen, nicht auf das deutsche, das italienische oder das
französische Fach. Er singt Lohengrin in Bayreuth, Cavaradossi (in Puccinis
„Tosca“) in München, „Don José“ (in Bizets „Carmen“) an der Mailänder Scala,
Verdis „Otello“ in London oder auch die Titelpartie in „La damnation de
Faust“ in Paris. Gerade das französische Repertoire, dem auch seine jüngste
CD mit dem Titel „L’Opéra“ gewidmet ist, meiden viele deutsche Heldentenöre.
Es ist ein gefährliches Terrain, sehr heikel, liegt zum Teil durchgängig
unangenehm hoch. Kaufmann erläuterte im RHEINPFALZ-Interview die
Einzigartigkeit der französischen Oper, sei es bei Meyerbeer, Massenet, bei
Gounod, Bizet oder auch bei Berlioz. Diese Komponisten hätten für eine
bestimmte Art zu singen komponiert, die mit der deutschen oder italienischen
Tradition nicht zu vergleichen sei.
Und dennoch wagt er sich an
dieses Repertoire, nicht nur auf CD, sondern auch live, auf der Opernbühne
wie im Konzertprogramm. Etwa am Mittwoch in der Stuttgarter Liederhalle,
beim Abschlusskonzert einer kurzen Tournee, bei der Kaufmann von der
Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung von Jochen
Rieder begleitet wurde.
Kaufmann hatte sich auch eine Partnerin
mitgebracht: die Mezzosopranistin Kate Aldrich. Mit ihr zusammen gestaltete
er jeweils zum Abschluss der beiden Konzertteile vor und nach der Pause
ganze Opernszenen. Zum einen das Finale des ersten Aktes aus Massenets Oper
„Werther“, zum anderen – als umjubelten Höhepunkt des Abends – das Finale
von Bizets „Carmen“. Inklusive des Bühnentods der Titelheldin.
Eigentlich müsste man ja sagen, dass dies irgendwo ein wenig befremdlich
wirkt, wenn nicht gar albern, wenn da ein Tenor im schwarzen Frack und eine
Sängerin im wunderschönen Abendkleid sich gegenseitig emotional so
aufheizen, dass ihm dann irgendwann endgültig die Sicherungen durchbrennen
und er in seiner Verzweiflung zum Messer greift, um die Frau, die ihn
mindestens so sehr demütigt wie er sie liebt, zu töten. Wer glaubt denn
schon so was?
Aber Kate Aldrich, die bereits vor der Pause eine
sinnlich-glühende „Habanera“ aus Carmen gesungen hatte, und Kaufmann nimmt
man das Geschehen auf der Bühne der emotional doch eher ernüchternd
wirkenden Stuttgarter Liederhalle ab. Sie gestalten mit der
Überzeugungskraft ihrer Stimmen, brauchen keine Kostüme, keine Kulissen, und
die Verzweiflungsschreie des zurückgewiesenen Don José stellt Kaufmann in
einer Art und Weise in den Raum, das die Gänsehautwirkung beim Publikum
garantiert ist. Ganz große Gefühle, ganz große Oper. Allein mit der Macht
der Stimme.
Man kann eine Menge lernen über die menschliche Stimme,
wenn man Kaufmann Arien aus Meyerbeers „L’Africaine“, Gounods „Roméo et
Juliette“ oder Halévys „La Juive“ (ein absoluter Glanzpunkt des Abends)
singen hört. Nicht nur über die unterschiedlichen Klangfarben, die man mit
ihr bilden kann, sondern auch über dynamische Abstufungen und damit
einhergehend über die richtige Technik. Kaufmann hat quasi den Mut zur
Selbstauslöschung. Er singt auch höchste Passagen im Pianissimo, was dann
eben nur noch in der Kopfstimme möglich ist. Und dennoch bleibt die Stimme
präsent, auch leiseste Töne gehen nicht unter – und werden dann wiederum von
hell strahlenden, grandios auftrumpfenden Spitzentönen abgelöst.
Wer
sich in solche Sphären des Beinahe-Verstummens vorwagt, der muss sich auf
das ihn begleitende Orchester verlassen können. Die Deutsche
Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz ist unter der Leitung des gebürtigen
Südpfälzers Jochen Rieder ein sehr aufmerksamer, sensibler Begleiter.
Zugleich bewegt sich das Konzertorchester sehr sicher auf dem doch nicht so
ganz vertrauten Terrain der Oper, zumal der französischen Oper.
Daneben hat das Orchester aber auch seine Soloauftritte, darunter
regelrechte Ohrwürmer wie den „Ungarischen Marsch“ aus Berlioz’ „Faust“ oder
„Danse Bohème“ und „Aragonaise“ aus Bizets „Carmen“-Suiten Nummer eins und
zwei. Das könnte an manchen Stellen vielleicht noch etwas leichtfüßiger,
unbeschwerter klingen, aber schon die das Konzert eröffnende Ouvertüre zur
Oper „Mignon“ von Ambroise Thomas beweist, dass die Staatsphilharmonie, der
man ja oft unterstellt, sie sei nur in der deutschen Romantik zu Hause, auch
lyrisch gefärbt, perlend und spritzig musizieren kann. Typisch französisch
eben.
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