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Bayerische Staatszeitung, 03.07.2018 |
Marco Frei |
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Wagner: Parsifal, Bayerische Staatsoper, ab 28. Juni 2018
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Gähnende Leere mit großen Momenten |
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Der neue „Parsifal“ bei den Münchner Opernfestspielen |
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Ein bildender Künstler ist keine Garantie für gute Bühnenentwürfe. Die
Malerei funktioniert ganz anders als das Theater. Während ein Bild eine
statische Momentaufnahme bleibt, ist das Theater – wie auch die Musik – eine
„Zeitkunst“ mit Anfang und Ende. Auf der Bühne regieren Bewegung und Aktion,
Ausdruck und Geste: ein ständiger Wandlungsprozess. Genau das fehlte in der
Neuinszenierung von Richard Wagners Parsifal an der Bayerischen Staatsoper.
Die Idee durchaus gut gemeint, denn: Mit Georg Baselitz hat ein
prominenter Malerfürst das Bühnenbild für die Regie von Pierre Audi
entworfen. Sein Name schafft es fraglos, ein anderes Kunst-Publikum in die
Oper zu locken. Mit zahlreichen Arbeiten, die um Heldentum, Zerstörung und
Menschsein kreisen, scheint Baselitz zudem ein geeigneter Wagner-Exeget.
Auch lässt sich die Einbindung der Malerei vortrefflich als Reflexion
von Wagners Idee eines Gesamtkunstwerks verkaufen, aber: In der
Vergangenheit sind schon Pablo Picasso oder Marc Chagall an der Bühne jäh
gescheitert. In München hat Baselitz vor allem sich selbst inszeniert.
Deswegen bleibt beim orchestralen Vorspiel der Vorhang geschlossen. Auf ihm
sind liegende Körper zu sehen.
Szenischer Stillstand Im dritten
Akt sind die Körper Kopf über abgebildet. Diesen Stil kennt man von Baselitz
seit den 1970er Jahren. Auch der Wald des ersten Aufzugs steht im letzten
Akt Kopf. An dieser Szenerie hat Christof Hetzer mitgewirkt, ein bekannter
Ausstatter von Stefan Herheim. Aus Aquarellen von Baselitz hat Hetzer dieses
Bühnenbild herausgefiltert. Schon in diesen beiden Aufzügen zieht sich das
Geschehen ermüdend in die Länge. Dazwischen klafft ein zweiter Akt, in
dem buchstäblich gar nichts passiert. Auch die fleischigen, effektreichen
Kostüme von Florence von Gerkan und Tristan Sczesny können nicht über den
szenischen Stillstand hinwegtäuschen. Ein öderes Rampenspiel hat man schon
lange nicht mehr erlebt, was allein der ideenlosen Regie von Audi geschuldet
ist. Er deutet nicht den Stoff, sondern lichtet ihn ab: textgetreu nach
„Reclam-Heft“.
Auf der Premiere brauchten Kirill Petrenko und das
Bayerische Staatsorchester hingegen eine halbe Stunde, um sich in der
Partitur zurechtzufinden. Das Vorspiel schleppte sich arg zäh dahin.
Generell hätten diesem Parsifal fließende Tempi gut getan, um den szenischen
Leerlauf aufzufangen. Es war Petrenkos erster Parsifal und vermutlich wird
er hier bei den weiteren Aufführungen gegensteuern. Das wäre auch für die
Solisten hilfreich.
Ein packendes Rollenporträt ist vor allem
Christian Gerhaher als Gralskönig Amfortas gelungen. Der Bariton gestaltete
die Partie ganz aus der Diktion des Liedsängers heraus: mit plastischer
Exegese des Worts sowie hellhöriger Differenzierung von Ausdruck und
Dynamik. Aus der Kundry machte Nina Stemme hingegen einen hochdramatischen,
wild-erotischen Charakter. René Pape zeichnete wiederum einen mehr kauziger
als ernsten Gurnemanz.
Geradezu zynisch und bitterböse wirkte
Wolfgang Koch als Klingsor. Und Jonas Kaufmann in der Titelpartie? Einmal
mehr zeigte sich auf der Premiere, dass sein Gesang im Piano brüchig und
fragil bleibt. Zwar vermochte es der Münchner Tenor wiederholt, ein Strauß
schönster Töne zu schnüren, aber: Was sein Parsifal ausdrücken möchte, für
was diese Rolle steht, erklärt sich in seiner Gestaltung nur in Ansätzen.
Der stärkste Moment war erreicht, als Parsifal im zweiten Akt
heraussingt: „Amfortas! Die Wunde“. Hier entwickelte Kaufmann eine ungeheure
Dringlichkeit und packende Intensität. Für die Solisten wie auch für
Petrenko, den Chor und das Bayerische Staatorchester gab es auf der Premiere
tosenden Beifall. Dagegen mussten Audi und Baselitz lautstarke Buh-Rufe
hinnehmen und das absolut zurecht. Ihre Inszenierung ist eine komplette
Bankrott-Erklärung des Theaters. |
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