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der Standard, 29. Juni 2018 |
Joachim Lange
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Wagner: Parsifal, Bayerische Staatsoper, 28. Juni 2018
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Wagners "Parsifal" mit Baselitz: Der ganze Wald steht kopf |
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Die Neuinszenierung in München beschert nicht nur ein Sängerfest in
exquisiter Besetzung. Die Ausstattung durch Malerstar Georg Baselitz lenkt
ab vom Kern des Bühnenweihfestspiels
Nikolaus Bachler liebt
die große Show. Ist ja auch in Ordnung für den Chef der Bayerischen
Staatsoper in München. Wenn er die großen Namen will, bekommt er sie. Und
wenn er die alljährlichen Opernfestspiele (ein Monat Leistungsschau)
startet, dann ist Wagners Parsifal gerade recht. In Luxubesetzung.
René Pape ist (wie schon in Wien) der eloquente, hochsouveräne Fels in der
Brandung. Jonas Kaufmann ein gestaltender Parsifal, der sein manchmal
gaumiges Aroma im Griff und in den entscheidenden Momenten genügend
Strahlkraft hat, um zu faszinieren. Bei "Amfortas! Die Wunde!" beglaubigt er
den einen, auch optisch dramatischen Augenblick überzeugend.
Nina
Stemme ist seit ihrer Wiener Kundry grandios gereift und läuft nicht nur in
ihrem Rampendialog mit Wolfgang Koch (Klingsor) zur Hochform auf. Koch
erweist sich als Meister des Dramatischen, Höhnischen, Zynischen. Da störte
das fehlende Quäntchen Diabolik nicht. Christian Gerhahers Amfortas ist eine
Sache für sich. Der liefert eine Studie des Leidensmannes, die man so noch
nicht gesehen hat. Er wechselt buchstäblich in jedem Moment die emotionale
Erregung, nimmt jede Sequenz für sich und setzt sie zu einer Figur zusammen,
die man (ohne Ton) auch für einen King Lear auf der Heide halten könnte.
Im Graben: Noch-GMD Krill Petrenko. Die Münchner lieben den Russen,
obwohl er ein Berlin-Ticket in der Tasche und den Chefposten der Berliner
Philharmoniker auf der Agenda hat. Bei seinem ersten Parsifal versucht gar
nicht erst, den Bayreuther Klang zu imitieren, sondern entfaltet dessen
ganze Pracht bewusst durchhörbar. Trotz eines flotten ersten Aufzugs
entsteht dennoch nicht der Eindruck von bewusst angeschlagenem Tempo.
Natürlich trägt er die Sänger auf Händen.
Verkohlter Wald für Ritter
So weit, so gut. Oder zumindest interessant. Bachler hat dieser Truppe noch
einen großen Namen hinzugefügt: Malerstar Georg Baselitz als Ausstatter. Der
bleibt zumindest sich selbst treu. Ein verkohlter Wald für die Ritter. In
der Mitte archaische Stelen. Bei der Verwandlungsmusik ein paar
angeleuchtete Pappengel mittendrin. Im dritten Aufzug steht der Wald dann
kopf, und die Baselitz-Welt ist ganz bei sich. Nur eben nicht wirklich bei
Wagner.
Im zweiten Aufzug gibt es nur einen Zwischenvorhang und dann
eine Mauerskizze mit Riss. Dass der Wald am Ende des ersten Aktes in sich
zusammensinkt, weil aus den Bäumen die Luft raus ist, und auf dem
Gazevorhang zum Finale eine Taube erkennbar ist, mag Selbstironie des Malers
sein. Die albtraumartigen Nacktkostüme unter den den Uniformen der frühen
Baselitz'schen "Helden"-Ritter oder die Blumenmädchen mögen ein Hieb gegen
den Jugend- und Schönheitskult sein. Dass sich am Ende alle um sich selbst
drehen, gleicht einem Statement zum Glauben. Baselitz hat sich vor allem
selbst "hinzugefügt", aber nicht wirklich auf Wagner eingelassen. Dieser Art
von Verweigerung setzt Regisseur Pierre Audi keinerlei Widerstand entgegen.
Der als Intendant der Amsterdamer Oper äußerst erfolgreiche Audi
kapituliert vor der Macht der Bilder. Immerhin muss niemand im Kopfstand
singen. Das Produktionsteam kassiert kräftige, ziemlich gut nachvollziehbare
Buhs. |
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