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Die deutsche Bühne, 29.06.2018 |
von Klaus Kalchschmid |
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Wagner: Parsifal, Bayerische Staatsoper, 28. Juni 2018
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Schwarze Magie |
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Schon zu Beginn ist der Wald im Gebiet des Grals verkohlt wie nach einer
Atomkatastrophe. Am Ende steht er auf magische Weise Kopf, silbriges Licht
durchdringt ihn wie von Geisterhand erzeugt, bis zur hier ausbleibenden
Verwandlung in den Gralstempel der ganze Bühnenboden sich im Hintergrund
senkt, während Gurnemanz, Parsifal und Kundry in der Tiefe verschwinden, aus
der später Amfortas und die Gralsritter geheimnisvoll auftauchen.
Wer
Bedenken hatte, dass ein Künstler wie Georg Baselitz selbstverliebt ein
eigenwilliges Konzept Wagners „Bühnenweihfestspiel“ aufstülpen würde, musste
selbst im zweiten Aufzug eingestehen, dass die auf Leinwand gemalte
stilisierte weiße Mauer eine optisch klare Setzung ist, die sich hier als
Begrenzung des Zaubergartens aufbaut, bevor sie am Ende wieder in sich
zusammensinkt. Zuvor agierten Klingsor und Kundry vor einem Portalvorhang,
auf dem kopfstehende nackten Frauen zu sehen sind. Es gibt also kein
Zauberschloss. Daran haben sich etliche Premierenbesucher, die am Ende
heftig buhten, wohl weniger gestoßen als an der symbolischen, mit breitem
Pinsel gemalten hässlich animalischen Nacktheit der prägnant stimmgewaltigen
Gralsritter, als Stimmen aus der Höhe „Nehmt hin meinen Leib“ singen, und an
derselben der Blumenmädchen, die aussehen wie alte Frauen mit Hängebusen und
–hintern und so optisch – wenn auch keineswegs musikalisch - jegliche
erotische Ausstrahlung vermissen lassen.
Oder vermissten die
Wagnerianer etwa Speer und Gral? Ersterer ist spindeldürr und kreuzförmig,
als wär’s ein Degen, letzterer befindet sich offensichtlich in jedem
einzelnen der Gralsgemeinschaft – und in uns. Das deutet sich im ersten
Aufzug mit vor die Augen gehaltenen Händen an und wird in der Karfreitagsaue
mit derselben Geste zelebriert. Am Ende führen die Gralsritter und Parsifal
den intimen Ritus noch einmal aus, wenn dieser singt: „Öffnet den Schrein“.
Es gibt sogar die Andeutung einer weißen Taube, die laut Libretto aus der
Kuppel herabschwebt und über Parsifals Haupt verweilt: ein riesiger weißer
Klecks auf einem durchsichtigen Gazevorhang leuchtet beim „hellsten Erglühen
des Grals“ üppig auf.
Dass Pierre Audi in diesen dominanten Räumen
immer wieder eine überzeugende Personenführung gelingt, überrascht. Am
wenigsten funktioniert das bei den Blumenmädchen, am besten im dritten
Aufzug, wenn der Regisseur, der sich sonst wenig kümmert um das, was in den
Szenenanweisungen steht, tatsächlich zeigt, wie Kundry „anders schreitet als
sonst“. Nina Stemme setzt dies mit der Bühnenpräsenz und Konzentration einer
großen Tragödin um. Jonas Kaufmann mutet Audi zu, barfuß, aber in voller
Ritterrüstung, die er nur in Zeitlupe ablegen kann, eine halbe Stunde lang
langsam wie in äußerster Ermüdung zu agieren.
In diesem dritten
Aufzug wird auch musikalisch aus einer sehr guten eine – vor allem im
Orchester – herausragende Aufführung. Wie Kirill Petrenko da die Verläufe
glasklar zwingend gestaltet, die Blechbläser noch in größter Lautstärke sich
runden und der Klang prachtvoll ins Nationaltheater flutet; wie aber auch
immer wieder im zartesten Pianissimo musiziert wird oder scharfes Fortissimo
sofort in weiches Piano zurückgenommen wird - etwas, das die Partitur sehr
oft fordert; wie am Ende nur noch die Musik beglückend dominiert und
verzaubert. Das hat eine große magische Kraft, wie man sie eigentlich nur
aus den besten Aufführungen im Bayreuther Festspielhaus kennt, für dessen
verdeckten Orchestergraben mit seiner besonderen Akustik Wagner sein
„Weltabschiedswerk“ ja komponiert hat.
München kann allerdings auch
mit den besten Sängerdarstellern aufwarten. Wenn René Pape als Gurnemanz
eine Stunde lang die Vorgeschichte ausbreitet, ist man dank seiner ebenso
natürlichen wie nachdrücklichen Intonation und seines schönen, weich
fließenden und doch prägnant artikulierenden Basses so aufmerksam, als
erzählte einem der Papa abends am Bett die allerspannendsten Märchen.
Christian Gerhaher suhlt sich nicht im Leidenspathos des siechen Gralskönig
Amfortas, sondern treibt es so auf die Spitze, ins Beinahe-Sprechen und – am
Stock gehend - in die expressionistisch aufgeladene Gestik, dass es beinahe
die Karikatur streift. Eine solche Wirkung kann auch Nina Stemme im zweiten
Aufzug nicht immer vermeiden, denn ihre beeindruckend leuchtend
hochdramatischen Töne wollen manchmal so gar nicht zu lockender Verführung
oder später zur Zerknirschung passen, vielmehr sieht und hört man Stolz und
Demütigung einer Götterdämmerungs-Brünnhilde, die Stemme ja auch bald wieder
in München verkörpern wird. Leider muss Wolfgang Koch als abtrünniger
Gralsritter Klingsor, der sich selbst kastriert hat, wie der böse Onkel aus
dem Märchen aussehen und klingt auch so.
Bleibt – last but not least
- Jonas Kaufmann als Parsifal. Er hat die Partie seit geraumer Zeit im
Repertoire und vermag noch immer, trotz durchweg baritonal gefärbtem
Stimmklang, Naivität im ersten, Verführbarkeit und leidenschaftliche
Erkenntnis im zweiten und die Läuterung im dritten Aufzug stimmlich und
darstellerisch ganz auszufüllen. Und weil Schwarz alles dominieren sollte,
hat Kostümbildnerin Florence von Gerkan nach der Klavierhauptprobe, von der
die Fotos im Programmheft stammen, die orange-beige Lederhose samt
entsprechender Weste des Toren noch in eine Art Brustpanzer über schwarzem
Hemd und Hose geändert und auch Kundry im zweiten Aufzug ganz in Schwarz
getaucht. Schade!
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