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Donaukurier, 25.11.2018 |
Jesko Schulze-Reimpell
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Verdi: Otello, Bayerische Staatsoper, ab 23. November 2018
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Fahle Inszenierung, leidenschaftliche Musik |
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Premiere von Verdis "Otello" an der Bayerischen Staatsoper: Jubel
für Jonas Kaufmann, Anja Harteros und Kirill Petrenko |
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Überall Kamine. Manchmal zwei oder drei in einem Raum. Das Holz glüht, ein
paar Flammen zügeln rötlich zwischen den Scheiten. Im dritten Akt stehen die
Akteure, Desdemona und Otello, vor dem Feuer, strecken die Hände dem Ofen
entgegen, wärmen sich. Kein Zweifel, es ist kalt in Giuseppe Verdis
Eifersuchtstragödie "Otello".
Aber es ist der Frost der Herzen, der
in Amélie Niermeyers Inszenierung irritiert. Eifersucht macht eigentlich
hitzig und feurig, sie ist ein quälendes Seelengift, das Menschen in den
Irrsinn treiben kann. Bei Niermeyer ist der Wahnsinn sublim, Ausdruck eines
häuslichen Dramas. Man denkt unwillkürlich an Bergmann und Strindberg,
Norwegen und die "Szenen einer Ehe", kaum an hitzige Italiener. Denn
Niermeyers "Otello" spielt sich im Inneren ab, als bürgerliches Trauerspiel
in gediegen klassizistischem Interieur (Bühne: Christian Schmidt). Als
Tragödie in fahlem Grau. Vor allem aber verzichtet sie auf die große Geste,
da können Verdi und Dirigent Kirill Petrenko im Orchestergraben noch so
gewaltige Klangfeuerwerke entfachen. Es springt kein Funke über.
Etwa
beim wildbewegten Beginn der Oper: Es blitzt und donnert im Orchester, die
Soldaten brüllen vor Angst. Aber nichts davon ist auf der Bühne zu sehen.
Stattdessen spiegelt sich das tragische Dröhnen der Urgewalten in Desdemonas
verzweifelten Gesichtszügen. Sie wartet sorgenvoll auf ihren Mann Otello,
der von Schlacht und Sturm zurückkehrt.
Aber was ist das für ein
Otello, der dann auftritt? Kein siegreicher Feldherr in militärischem
Gewande. Vielmehr gibt ihn Jonas Kaufmann als grauen Niemand in Büro-Anzug
und Hosenträger. Vor allem aber, anders als es Shakespeare, Verdi und sein
Librettist Arrigo Boito vorsahen, verkörpert er keinen Schwarzen.
"Blackfacing", einen Weißen als Mohren zu schminken, gilt inzwischen als
politicaly incorrect. Natürlich, der Mord an Desdemona geschieht nicht, weil
Schwarze eifersüchtiger sind, weil sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle
hätten. (Das dümmliche Klischee wird übrigens auch Italienern gerne
unterstellt.) Aber Shakespeare und Verdi haben in ihrer Tragödie eigentlich
etwas anderes schildern wollen: Was es psychisch mit Menschen macht, wenn
sie einer stigmatisierten, angeblich minderwertigen Minderheit angehören.
Und dieses Schicksal trifft längst nicht nur auf Schwarze zu, sondern auch
etwa auf Juden und Araber. Ihnen haben Verdi und Shakespeare ein Denkmal
gesetzt. Niermeyer aber entzieht der Oper ihr spezifisches
Alleinstellungsmerkmal und macht es zum bloßen Eifersuchtsdrama.
So
sieht man Darsteller in nichtssagenden Roben, in kühl designtem Mobiliar
Psychoschlachten schlagen. Vergleichsweise interessant ist da noch der
Intrigant Jago geschildert. Gerald Finley gibt ihn als wendigen Schluffel in
karrierter Hose, der wie besessen über die Bühne turnt, alles arrangiert,
alle überzeugt, pfiffig und perfide. Stimmlich ist er grandios
vielschichtig, auch wenn es seinem Bariton in manchen Augenblicken an
dämonischer Schwärze fehlt.
Als die Blumenmädchen Desdemonas
Hochzeitsgirlanden auslegen, mischt er sich ins Geschehen, lenkt und
inszeniert, bis die Blumen wie Grabbeigaben auf dem Bett liegen. Überhaupt
stehen Betten fast noch häufiger auf der Bühne als Kamine. Allgegenwärtig
als Ort des Mordes und als Couch zur Seelenschau.
Aber das Publikum
ist wahrscheinlich weit weniger wegen Amélie Niermeyer ins Nationaltheater
gekommen, als vielmehr wegen des vielbeschäftigten Opern-Traumpaares Jonas
Kaufmann und Anja Harteros. Und hier gibt es Lichtblicke. Sicher: Kaufmann
ist kein typischer Otello-Darsteller, seine Stimme ist zu wenig sieghaft
strahlend, zu dunkel und baritonal. Und doch: Gerade darin liegt vielleicht
der Reiz dieser Deutung. Denn Kaufmann ist wie wenige seiner Kollegen in der
Lage, die Partie aufzurauen, ihr noch mehr fahle Pianissimostellen,
gequältes Aufschreien, trübe Verzweiflungsausbrüche beizumischen. Und das
macht ihn zu einem unwiderstehlichen Otello-Deuter. Ähnlich verhält es sich
mit Harteros, deren Stimme inzwischen kraftvoller und herber geworden ist,
deren Tiefen in ihrer sonoren Tönung fast an die Qualität der Callas
erinnert. Sie verkörpert eine sinnliche, selbstbewusste Desdemona, ein
Counterpart zu Otello.
Und natürlich: Am meisten Jubel empfängt an
diesem Premierenabend Kirill Petrenko am Pult des Bayerischen
Staatsorchesters. Sein "Otello" ist so direkt, so wild, wohlkalkuliert laut,
so glutvoll leidenschaftlich wie man es sich nur wünschen kann. Dem
edelgrauen Allerlei der Niermeyer setzt er die ganze Farbigkeit der
Verdi-Partitur entgegen.
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