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BR24, 24.11.2018 |
Sven Ricklefs |
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Verdi: Otello, Bayerische Staatsoper, ab 23. November 2018
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Otello mit psychologischer Feinmechanik |
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Otello führt in seiner hohen Emotionalität so gut wie jeden Sänger an seine Grenzen. Nicht so Tenor Jonas Kaufmann: Er verleiht seiner Rolle in Amelie Niermeyers Aufführung an der Bayerischen Staatsoper etwas Sanftes statt der gewohnten Machoallüren. |
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Die Wogen gehen hoch gleich zu Beginn von Verdis wohl stärkstem Musikdrama
Otello, und das im wahrsten Sinne des Wortes nicht nur für den übers Meer
eilenden Kriegsheimkehrer selbst, sondern auch für die daheim wartende
Braut. So jedenfalls will das die Regisseurin der Neuproduktion an der
Bayerischen Staatsoper Amelie Niermeyer verstanden wissen. Sie zeigt ihre
Desdemona zunächst in einem schlichten Privatgemach mit Fenster und Tür,
Bett, Sessel und Kamin, in dem diese Desdemona anders als ihr Otello mit den
eigenen Emotionen kämpft und dabei zwischen Angst um den Geliebten und
erotischer Erwartung changiert.
Zwei souveräne Satelliten, die
zueinander nicht können Und dieser Raum, dieses Gemach wird der
bestimmende Ort dieses ganzen Otellos bleiben. Bühnenbildner Christian
Schmid hat ihn dafür im Schachtelprinzip gleich mehrmals gebaut, lässt ihn
mal größer mal kleiner erscheinen, zeigt ihn aus verschiedenen Blickwinkeln,
baut ihn in schwarz-weiß Varianten hintereinander oder lässt ihn als
Videoprojektionen um die Figuren herumtanzen. Es ist, als sei dieses Gemach
für Otello, den Kriegsheimkehrer, den Fremden in seiner Umgebung und für
seine Desdemona, die in ihm eben diesen Fremden und den Traumatisierten
liebt, als sei dies der Ort ihrer Liebe, die so schnell in die Tragödie
kippt und als gäbe es aus diesem Ort auch kein Entrinnen. Amelie Niermeyer
zeigt zwei souveräne Satelliten, die zueinander nicht können und denen durch
die berühmte Taschentuchintrige Jagos ein grausames Ende bestimmt ist.
Musikalisches Fest mit Wucht und leisen Nuancen Selbstredend ist hier
kein Otello mehr schwarz geschminkt, dieser hier ist fremd vor allem wohl
durch das, was er durchgemacht hat und was sich als Trauma in ihn
eingeschrieben hat. Und Desdemona? Sie spielt hier so bewusst mit dem Feuer,
dass einem Double als dunklem Alter Ego von ihr schon mal der Ärmel brennt,
wenn er zu nah ans Kaminfeuer kommt. Niermeyer setzt auf die psychologische
Feinmechanik von Verdis ebenso stürmischer wie auch emotional
tiefschürfender Oper und kann sich dabei ganz auf Kirill Petrenko verlassen,
der das Bayerische Staatsorchester zu Verdis Wucht ebenso animieren kann,
wie zu jeder leisen Nuance. Und auf die setzt auch Jonas Kaufmann, indem er
seinem Otello eben nicht jene gewohnten Machoallüren verleiht und auch den
Heldenstrahl eher ins Sanfte wendet.
Neben Jonas Kaufmann und dem als
bravourösen bösen Clown Jago auftretenden Gerald Finley ist es vor allem
auch Anja Harteros als Desdemona, die diesen neuen Münchner Otello zu einem
musikalischen Fest macht. Ihr warmer Sopran zieht an diesem Abend so
souverän seine herrlichen Kreise über der Szene, dass man gar nicht anders
kann, als ihr gern beim Leiden und Sterben zuzuschauen.
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