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Journal, 25.10.2018 |
BOB DIESCHBURG |
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Puccini: La Fanciulla del West, New York, Metropolitan Opera, ab 17. Oktober 2018
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Kaufmanns Triumph an der Metropolitan |
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„Das Mädchen aus dem Goldenen Westen“ am 27. Oktober auch in
Luxemburg im Kino |
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Als Teil der Vermarktungsstrategie des New Yorker Kulturlebens, bringt
Met-Direktor Peter Gelb „La Fanciulla del West“ auf die internationale
Kino-Leinwand. Das Programm „The Met - Live in HD“ ist ein Aushängeschild
des berühmten Opernhauses, das mit der Rückkehr von Jonas Kaufmann zum
Zentrum der medialen Aufmerksamkeit wird.
Von Goldgräbern und
Tenören Mit der Wiederaufnahme von Puccinis Wild West Melodram
zelebriert die Metropolitan Oper ihre musikalische - und zugleich nationale
- Identität: Diese ist verknüpft mit der Romantisierung des Gold Rush, die
der Luccheser Komponist den normativen Ansprüchen der Grand Opéra als
französisch geprägtem Genre entgegenstellt. Der Amerikanismus von Handlung
und Musik ist somit auf die Geschmäcker des New Yorker Publikums abgestimmt,
das seit der triumphalen Premiere von 1910 das Erbe dieser ansonsten
unterschätzten Oper kultiviert.
Die Uraufführung bildete einen
interpretationsgeschichtlichen Meilenstein; Sie war der Höhepunkt des
italienischen Kulturexports, der die Metropolitan als erste Bühne der Welt
etablierte und den Kult des Tenors als singenden Erotikons - von Caruso bis
Pavarotti - in New York begründete. In diesem Sinne steht „La Fanciulla del
West“ auch dieses Jahr im Zeichen des Tenors. Nach vierjähriger Abwesenheit
nämlich kehrt Jonas Kaufmann in die Hallen vom Lincoln Center zurück.
Der Einzug des deutschen Startenors Seit seiner
brillanten und wenig idiomatischen Interpretation von Massenets „Werther“
hat sich der deutsche Tenor aus vornehmlich familiären Gründen von
Auslandsengagements distanziert und die Metropolitan gemieden. Die
Neuproduktionen von „Manon Lescaut“ - an der Seite von Kristine Opolais -
und „Tosca“ in den Jahren 2016 und 2017 sagte er ab. Es ist daher nicht
verwunderlich, dass ein Raunen ängstlicher Erwartung durch das Publikum
ging, als der Vorhang sich über Kaufmann hob.
Die Erwartungen wurden
nicht enttäuscht. Das baritonale Timbre verleiht dem Charme seines
gestischen Spiels eine charakterliche Tiefe, die man aus den
Standardinterpretationen des Banditen Dick Johnson nicht kennt. Kaufmann
beweist, dass er alle Register des italienischen Gesangs beherrscht und
neben dem Paradestück des dritten Akts - „Ch’ella mi creda“ - ist es vor
allem die weiche und beinahe sensitive Intonation der Duette, die seinen
Rang als Startenor belegt. Natürlich wiederholt er ein Rollenporträt, das er
unter der Leitung von Franz Weiser-Möst bereits 2013 einstudiert hat. Die
Scharfsichtigkeit und singdarstellerische Intuition bleiben bravourös.
Das Mädchen aus dem Goldenen Westen Der
Stimmcharakter von Eva-Maria Westbroek hingegen kommt dem Selbstbild von
Puccinis Heldin kaum zugute. Die Rolle basiert auf der Diskrepanz zwischen
dem ebenso poetischen wie zerbrechlichen Ideal der Barbesitzerin Minnie und
der prosaischen Realität, die sie inmitten von Goldgräbern und den Drohungen
ihres Sheriffs gefangen hält. Westbroek bedient die seltenen Momente von
Minnies Selbstüberwindung; die Gewalt ihres wagnerianischen Soprans jedoch
erstickt die lyrische Fantasie, die - in der Nachkriegszeit - nur Renata
Tebaldi erreichte. Die edle Einfalt und stille Größe bleiben Westbroeks
tragischer Heroine fremd. Hinzu kommen technische Unsicherheiten, die sich
vor allem in schlecht intonierten Spitzentönen bemerkbar machen.
Es
ist umso erfrischender, eine nuancierte Darstellung des ansonsten
stiefmütterlich behandelten Jack Rance zu erfahren. Zeljko Lucic wendet sich
bewusst gegen die Konvention, den unglücklichen Sheriff als Gewaltverbrecher
zu verstehen und singt seine vielleicht beste Partie seit der Titelrolle von
Verdis „Macbeth“ im Jahr 2014. Der gewaltige Chor agiert ausnahmslos
souverän und die Comprimarii sind mit Todd Simpson und Carlo Bosi solide
besetzt. Besonderes Lob verdient die Leistung von Dirigent Marco Armiliato.
Der Pultveteran bewältigt die schwierigen Tempowechsel mit einer
Feinfühligkeit, die ihn als Experten des spätitalienischen Repertoires
ausweist - seine Interpretation einer durchaus schwierigen Partitur ist
ebenbürtig mit jener eines Leonard Slatkin oder Fausto Cleva.
Ein Meisterwerk Das letzte Wort gilt der von Giancarlo
del Monaco entworfenen Produktion, die sich als gegensätzliches Pendant zu
der barocken Opulenz versteht, die Franco Zeffirellis ästhetische Signatur
zum Beispiel in der aktuellen „Turandot“ trägt. Del Monaco hat eine
nüchterne und farbarme Vision vom Goldenen Westen, die sich als Hommage an
europäische Wild West Verfilmungen à la Sergio Leone versteht. Dadurch
liefert er auch eine Interpretationsvorgabe, die sich gegen die
Kitschvorwürfe einer traditionell Puccini-kritischen Musikologie richtet:
„La Fanciulla del West“ ist ein verkanntes Meisterwerk, das in der
tragischen Dimension seiner Charaktere die Modernität von Puccinis
Kompositionsstil mit den krypto-religiösen Erlösungsgedanken von Wagners
„Parsifal“ kombiniert. Diese Symbiose bildet den eigentlichen Reiz des Girl,
den vor allem Kaufmann vollends versteht.
Dass es sich bei „La
Fanciulla del West“ um eine klare Hörempfehlung handelt, steht außer Frage.
Im Rahmen des Programms „The Met - Live in HD“ wird die Oper am 27. Oktober
auch in den luxemburgischen Kinosälen von Kinepolis Kirchberg und Belval,
sowie im Ciné Utopia ausgestrahlt.
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