Die Presse, 08.05.2017
von Wilhelm Sinkovicz
 
Puccini: Tosca, Wiener Staatsoper, 5. Mai 2017
Staatsoper: Die Dynamik des Seelentheaters
 
Kritik Die starken und die leisen Töne schüren Emotionen, ob in „Tosca“ mit dem Dreamteam Gheorghiu/Kaufmann oder in „Eugen Onegin“ mit vielen Ensemblekräften.
 
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Mitten in einem der beiden Durchläufe von Wagners „Ring des Nibelungen“ (diesen stemmt man in dieser Saison als einziges Haus der Welt und sozusagen nebenbei!) gibt es Startheater – und überdies noch den Beweis, dass man den Olymp auch in kluger Aufbauarbeit erobern kann: Während in „Tosca“ Angela Gheorghiu und Jonas Kaufmann ihren Lieblingskrimi aufs Neue zelebrieren, beweisen in „Eugen Onegin“ zwei Damen aus dem Staatsopernensemble, dass sie an der Seite zweier international renommierter Herren Tschaikowskys Seelendrama berührend gestalten können.
[...über Eugen Onegin...]
Es putscht unter der Leitung des umsichtigen Debütanten Eivind Gullberg Jensen auch die Puccini-Klänge auf, wenn Jonas Kaufmann und Angela Gheorghiu mit dem skrupellosen Baron Scarpia des Marco Vratogna aneinandergeraten.

Strahlende Eruptionen

Stehen solche Namen auf dem Programmzettel, schrauben sich die Erwartungen des Publikums in höchste Höhen – und werden nicht enttäuscht. Vratognas Scarpia ist in seiner in sich ruhenden, noch in der äußersten Brutalität völlig beherrschten Selbstverliebtheit vermutlich der einzige Mensch im Saal, den die Leidenschaften der Diva und des Tenors nicht überwältigen

Im ersten Akt blieb der Polizeichef diesmal ohnehin der unangefochtene Wortführer, denn Gheorghiu und Kaufmann ließen es bei – allerdings imposanten – dramatischen Attacken bewenden. Doch im Mittelakt entfaltete Floria Tosca ihr enormes Potenzial – angesichts der Infamie Scarpias schleuderte sie exaltierte Spitzentöne heraus, scheinbar ohne Rücksicht auf Schöngesang, und doch: Das „Gebet“ wurde zur Oase des Wohlklangs, im Wechselspiel mit den philharmonischen Zurufen aus dem Orchestergraben intensiv gesteigert. Der Primadonnenkunst setzte Kaufmann strahlende Eruptionen seines baritonal Tenors entgegen, aber auch gehauchte, doch stets konsistente Piani. Auf sie warten die Verehrer und toben nach der „Sternenarie“ vier Minuten lang. Dennoch keine Zugabe, diesmal . . .

Applaus auch für die kleinen Partien, die alle (das gehört zur „Oper 1.0“) liebevoll besetzt sind – bis zu exquisiten Neuzugängen im „Onegin“: der nobel phrasierende Fürst Germin von Mika Kares, Janina Baechles Filipjewna und Thomas Ebensteins Monsieur Triquet. „Tosca“ ist übrigens heute, Montag, im Livestream zu erleben.





 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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