Der Neue Merker
Peter Dusek
 
Verdi: Otello, Royal Opera House, London, 28. Juni 2017
LONDON/Covent Garden im Kino/UCI Millennium City: OTELLO mit Jonas Kaufmann. Von den Höllenqualen der Liebe
 
Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Jonas Kaufmann ist ein grandioser, neuer Otello, der die Höllenqualen der Liebe und der Eifersucht so authentisch wie möglich beschwört. Aber oft sollte er diese mörderische Rolle nicht übernehmen.

Doch beginnen wir in der Stück-Abfolge. Der bayerische Tenor-Star hat das Royal Opera Haus in London zum Rahmen für sein Debüt in der wohl besten Oper von Giuseppe Verdi (Text Arrigo Boito) gewählt. Immerhin stand deshalb der energiegeladene Antonio Pappano am Pult des Orchesters und des Chores von Covent Garden. Und von Keith Warner (Bühne Boris Kudlicka) wurde eine zeitlose Klassik-Inszenierung geliefert, die an Giorgio Strehler erinnerte. Tolle Licht und Schattenspiele, historisierende Kostüme. Schon in der ersten Szene (Gewittermusik) peitschen die Tonmassen und eine dichte, kluge Regie macht den sieghaften Auftritt von Jonas Kaufmann zum Ereignis. Der Türken-Sieger vor Zypern wird als „arabischer Held“ begrüßt, kein „Mohr von Venedig“ sondern ein mediterraner „Latin lover“. Die Mittellage klingt dunkel, die Höhe strahlt!
Sein Gegenspieler Jago ist Marco Vratonga, optisch ein wahrer „Diabolos, stimmlich nur eher mittelmäßig, nach der Absage von Lodovic Tezier aber mehr als eine „Notlösung“. Dritte im Bunde ist die Desdemona von Maria Agresta, die italienische Sopranistin verfügt über die erforderliche Dramatik (2.und 3. Akt) und die „Weidelied“-Lyrik im 4.Akt. Aber es fehlt ein unverkennbares Timbre, das „Geheimnis“ ihrer Unschuld, um sie zum Ereignis werden zu lassen.

Immerhin wird das große Liebesduett am Ende des 1.Aktes ein erster echter Höhepunkt. Jonas Kaufmann lockt und schmeichelt, ein strahlender Held auf der Suche nach Zärtlichkeit und (selbst-) verliebter Hingabe. Dann im 2. Akt greift die Intrige: Jonas Kaufmann rast vor Eifersucht, verliert ganz schnell die Beherrschung, tobt und schlägt um sich-eine filmreife Studie. Allerdings wird man das Gefühl nicht los, dass sich der deutsche Startenor als Otello – vor allem im „Rache-Akt“ – doch sehr an die Grenzen seiner vokalen Möglichkeiten begibt. Im 3. Akt – in der neurotisch-exzessiven Auseinandersetzung mit Desdemona und im großen Monolog– kann er wieder etwas „zurückschrauben“. Um in der Sterbeszene dann nochmals alle seine Ausdrucksmöglichkeiten auszuspielen. Ein Ausnahmekünstler in jedem Fall. Zweifellos der bisherige Höhepunkt in seiner Karriere. Hoffentlich lässt er sich nicht allzu oft auf dieses „Karriere-Abenteuer“ ein. Was bleibt noch zu berichten? Fredéric Antoun war ein ausgezeichneter Cassio, Kai Rüütel eine mondäne Emilia, Thomas Atkins ein exzellenter Rodrigo, In Sung Sim ein nobler Lodovico.

Das britische Publikum reagierte so, wie man es ihm nachsagt: freundlich- positiv und zugleich kühl – distanziert und insgesamt zurückhaltend. In Wien oder München wäre es wohl zu Recht aus dem Häuschen geraten.




 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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