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Die Welt, 26.05.2017 |
Von Peter Krause |
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Liederabend, Hamburg, Elbphilharmonie, 24. Mai 2017
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Innig erklingt das Lied |
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Startenor Jonas Kaufmann überzeugt bei seinem nachgeholten
Elbphilharmonie-Debüt. Gegen störenden Applaus geht der Münchner in die
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Wenn der teuerste Tenor unserer Tage in die Elbphilharmonie kommt, sind die
Erwartungen nicht einfach nur sehr hoch, nein, sie steigen ins
Unermessliche. Und die Spannung ist mit Händen zu greifen: Denn die
Eröffnungskonzerte des Hohen Hauses am Hafen im Januar musste der allseits
Begehrte nach seiner langen Auszeit ebenso absagen wie seinen Liederabend im
Februar. Jetzt endlich also debütierte Jonas Kaufmann. Sein Mentor für den
Liedgesang ist dabei des Tenors Partner am Steinway: Der unnachahmliche
Helmut Deutsch, der mit seinem Furor der Feinheit und der
Differenzierungslust alles andere als ein normaler Klavierbegleiter ist. Er
wird vielmehr zum Impulsgeber und Inspirator, der seinen einstigen Studenten
stützt und schützt, wo es sein muss, der ansonsten demütig wie beherzt
Akzente setzt und mit pianistischen Farbpaletten aufwartet, die für sich
genommen den Abend schon zu einem Ausnahme-Ereignis gemacht hätten.
Doch in die Elbphilharmonie ist eine Gemeinde gepilgert, um einen Sänger zu
erleben, der sein Publikum berührt, begeistert und beschenkt, der mehr gibt,
als seine Fans zu träumen wagen, der vokal aus dem Vollen schöpft und uns
damit trunken macht. War da nicht dieser Rausch des tenoralen Testosterons,
als die Granden namens Pavarotti oder Domingo einst ihre ersehnten
Gastspiele gaben, die selbst an Tagen nicht optimaler Disposition mindestens
den Damen im Publikum so manche Träne ins Auge trieben? Jonas Kaufmann hat
nun weder italienische noch spanische Gene, der attraktive Münchner versagt
sich die bei südländischen Kollegen üblichen Gesten der Umarmung. Er wirkt
so ernst und ehrfürchtig, als wolle er nonverbal zum Ausdruck bringen, dass
es in diesem Konzert der Kunst gelte und nicht der Selbstdarstellung eines
Superstars der Klassik. Als die Besucher der Elbphilharmonie nach
„L'invitation au voyage“, dem ersten der von Kaufmann angestimmten fünf
Lieder von Henri Duparc, in pflichtschuldigen Applaus verfallen, ist der
Sänger so genervt, dass er vornehm höflich darum bittet, ihm erst nach dem
letzten Lied des kleinen Zyklus klatschend zu danken. Das klappt nach dem
zweiten Lied noch nicht so ganz, dann wird doch noch allen im Saal klar,
dass dies kein Arienabend sattsam bekannter Hits ist, sondern eine Huldigung
des Liedgesangs, zu der Kaufmann seinen heldisch virilen Tenor immer wieder
zur Voix mixte zurückfährt, jener sensiblen Mischung aus Kopf- und
Bruststimme, die zumal den impressionistisch getönten Klanglandschaften eine
Henri Duparc zu ihrem eigenen Zauber verhilft.
Helmut Deutsch lässt
es dazu auf dem Flügel himmlisch glitzern, kleine Kratzer und Rauheiten
trüben indes das Mezza voce des Tenors. Zuvor in Franz Schuberts selten
gesungener Schiller-Ballade „Die Bürgschaft“ inszeniert Kaufmann gleichsam
ein auf Viertelstundenmaß destilliertes Musikdrama Richard Wagners. Er setzt
auf deutliche Deklamation und Bühnen-Imagination, eine solche
Gestaltungstiefe sucht ihresgleichen – der aufregende Einstieg verdeutlicht,
wo Kaufmann eigentlich zu Hause ist: in der Oper.
Mit den „Tre
Sonetti di Petrarca“, die Wagners Schwiegervater Franz Liszt in jungen
Jahren komponierte, kehrt Kaufmann nach der Pause in den Großen Saal der
Elbphilharmonie zurück. In „Pace non trovo“ setzt der begehrteste Tenor der
Gegenwart denn auch deutlich auf Opern-Attacke. Trotz aller klugen
Textdurchdringung ist die Empfindsamkeit der Sonett-Vertonungen hart
erkämpft. Kaufmanns Piano klingt matt, belegt und gaumig, oft rettet er sich
in ein Flüster-Falsett, von echtem leidenschaftlichen Legato-Schmelz ist in
„Benedetto sia `l giorno“ wenig zu spüren.
Die sieben Lieder von
Richard Strauss, dem drei Zugaben aus der Feder des Bayern folgen, halten
freilich noch den Höhepunkt des Abends bereit: In „Befreit“ nach Richard
Dehmel wirkt auch Jonas Kaufmann wie erlöst von den Strapazen des Konzerts,
in dem über weite Strecken stimmliche Kontrolle vor sängerischer Emphase und
Entgrenzung rangierte. In diesen Hymnus auf die Liebe legt der große Sänger
lang ersehnte Intensität, krönt das finale „weinen“ mit einem stimmtechnisch
genial vom Falsett in die volle Stimme geführten Crescendo. Für „Heimliche
Aufforderung“ aber ist Kaufmanns baritondunkler Tenor fast schon zu schwer,
in „Cäcilie“ wiederum macht sein glutvolles Timbre großen Effekt. Herrlich
schlicht und wahrhaftig gelingt die erste Zugabe, „Ich trage meine Minne“,
affektsicher die zweite, die „Zueignung“, zu der Kaufmann – zu Ehren der
hinter dem Podium sitzenden Besucher – um den Flügel kreist, authentisch die
letzte, mit ihrer Hoffnungsbotschaft: „Und morgen wird die Sonne wieder
scheinen“.
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