NDR Kultur, Klassisch unterwegs, 25.5.2017
Im Gespräch berichtet NDR Kultur Musikredakteurin Sabine Lange von ihrem Besuch beim Liederabend von Jonas Kaufmann in der Elbphilharmonie.
 
Liederabend, Hamburg, Elbphilharmonie, 24. Mai 2017
Jonas Kaufmann in der Elbphilharmonie
 
Jonas Kaufmann ist auf den großen Opernbühnen der Welt zu Hause. Doch nicht die große Form der Oper hält der Tenor für das anspruchsvollste Metier eines Sängers, sondern die intime, kleine Form des Liedes. Nun ist er zum ersten Mal in der Hamburger Elbphilharmonie aufgetreten - als Liedsänger, begleitet nur vom Pianisten Helmut Deutsch.
 
Frau Lange, Jonas Kaufmann sollte ja eigentlich schon bei der Eröffnung der Elbphilharmonie im Januar singen und damals zeitnah diesen Liederabend geben. Er musste damals beide Auftritte krankheitsbedingt absagen. Nun war er da - wie haben Sie dieses Debüt erlebt?

Sabine Lange: Für mich war das ein sehr spannender Abend, buchstäblich vom ersten Ton an. Denn Jonas Kaufmann hat gleich an den Anfang Friedrich Schillers Ballade "Die Bürgschaft" gesetzt, von Franz Schubert vertont. Das ist ein unglaublich faszinierendes viertelstündiges Miniaturdrama um den Wert von Freundschaft, und ich muss sagen: Kaufmann hat mit seinem Facettenreichtum meine Erwartungen weit übertroffen. Mit wie viel Nuancen er das gesungen hat - vom Flüstern bis zum dramatischen Ausbruch. Das war nirgendwo artifiziell, gekünstelt, sondern das klang, als habe er diese Geschichte auf seinem Herzen und müsse sie unbedingt jetzt erzählen. Das war sehr natürlich, authentisch. Das hat mich elektrisiert.

Jonas Kaufmann sagt von sich, es mache "ihm ungeheuren Spaß, an einem Abend viele Facetten zu zeigen: sprachlich, musikalisch, stilistisch, darstellerisch". Wie hat sich das in der Elbphilharmonie in seiner Programmauswahl gezeigt?

Jonas Kaufmann feiert ja auf den Opernbühnen seine größten Erfolge in deutschen, französischen und italienischen Opern, und in diesen drei Sprachen hat er nun auch gesungen. Franz Schubert zu Beginn, einige Lieder von Richard Strauss zum Schluss. In diesem Repertoire fühlt er sich offensichtlich sehr zu Hause. Mit dieser Musik hat er sein Publikum zu standing ovations hingerissen. Dazwischen hat er fünf Lieder des Franzosen Henri Duparc gesungen und die drei Petrarca-Sonette von Franz Liszt - das, muss ich gestehen, fand ich beides nicht so überzeugend. Diese feine, fast schon impressionistische Klangsprache von Henri Duparc, die hat der Pianist Helmut Deutsch, eine Legende als Liedbegleiter, fantastisch einfühlsam gespielt. Aber Jonas Kaufmann war mir da zu sehr Opernsänger, zu sehr ein massenetscher Werther. Was an sich ja durchaus verführerisch ist, aber ein bisschen an der kleineren Gattung Lied vorbeigeht. Da fehlte mir in seiner Stimme die fein ziselierte französische Sprache. Und nach der Pause, beim Liszt, da klang Kaufmann sehr angestrengt, da hatte ich Sorge, ob er den Abend stimmlich übersteht. Ein Liederabend ist für einen Sänger ja enorm anstrengend. Kaufmann hat gestern Abend fast anderthalb Stunden gesungen, er war immer präsent, hatte kein Orchester an der Seite, in dem sich die Stimme ja auch mal verlieren kann. Da war nur das Klavier. Alles lag offen, jeder Ton konnte da gehört werden, besonders in der speziellen Akustik der Elbphilharmonie. Das ist eine immense Herausforderung. Ich war sehr erleichtert, als Kaufmann dann Strauss gesungen hat. Da war er wieder voll in seinem Element. Da war keine Schwäche mehr spürbar.

Elbphilharmonie. Sie haben es erwähnt: Dieser große und ungewöhnlich hohe Saal ist eine Herausforderung für einen Künstler. Das Publikum sitzt rund um die Bühne. Wie passt eine solche Architektur speziell zu einem Liederabend?

Das war tatsächlich Gesprächsthema. Denn wer hinter der Bühne saß, und das sind in einer ausverkauften Elbphilharmonie mehrere Hundert Zuschauer, der konnte gerade mal auf den hochgeklappten Deckel des Flügels sehen, aber er hat wenig von Jonas Kaufmann gesehen und gehört. Kaufmann hat ja immer wieder sehr, sehr leise gesungen. Das war fantastisch für die, die vor ihm saßen. Für alle anderen aber eben nicht. Schon nach dem zweiten Lied hat jemand aus dem Publikum Jonas Kaufmann zugerufen, er möge sich doch bitte auch mal umdrehen. Das hat er aber erst in einer Zugabe gemacht, als eine Art Versöhnungsgeste. Das kam beim Publikum gut an, aber eben ein bisschen spät. Da müsste man schon mal drüber nachdenken, wie man dieses Problem in der Elbphilharmonie löst.






 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
  www.jkaufmann.info back top