Neue Westfälische, 05.04.2017
Matthias Gans
 
Schubert: Die schöne Müllerin, Gütersloh 5. April 2017
Startenor Jonas Kaufmann begeistert in Gütersloh
Sänger holte Konzert nach, das er wegen einer Erkrankung der Stimmbänder absagen musste
 
Am Beginn stand eine Entschuldigung. „Ich wollte hier im vergangenen November eigentlich mein Comeback einleiten", sagte Jonas Kaufmann dem Publikum im ausverkauften Theater. Doch eine erneute Erkrankung seiner Stimmbänder habe das verhindert. Immerhin: „Dies ist der erste Liederabend seit Anfang des Jahres, seitdem ich wieder singe. Insofern hat es auch etwas Exklusivität."

Als wäre nicht jedes Konzert, jeder Opernauftritt, jede öffentliche Tonentäußerung des Startenors ein exklusives Vergnügen. Das wurde bei seinem umjubelten Auftritt in der Reihe „Vier Jahreszeiten" einmal mehr deutlich. Die Besucher kamen nicht nur aus ganz Deutschland, wie Theaterleiter Christian Schäfer in seiner Begrüßung verriet.

Auch Fans aus der Schweiz, aus Spanien und Frankreich waren nach Gütersloh gereist. „Das hat man nur der Strahlkraft von Franz Schuberts Liedern zu verdanken", meinte Schäfer. Wohl dürfte aber auch die mittlerweile attraktiv angegraute Mähne und Kaufmanns ungekünstelt-sympathische Erscheinung dazu beigetragen haben.

Von Stimmkrise kann keine Rede mehr sein

Und um es vorweg zu nehmen: von Stimmkrise kann bei Jonas Kaufmann keine Rede mehr sein. Pures vokales Gold entströmte an diesem Abend des Sängers Kehle. Ausgesucht hatte Kaufmann sich Franz Schuberts Zyklus „Die schöne Müllerin". 20 Lieder, die vom Wandersleben des Müllersburschen, von Liebessehnsucht und Liebesqualen und schließlich einem Ende in dem Bach handelt, der den Burschen anfangs zur Wanderschaft verleitet hat.

Um technische Dinge muss man sich bei Jonas Kaufmann keine Sorgen machen, das sängerische Handwerk beherrscht er perfekt. Beispielhaft ist sein Diktion, die jedes Wort verstehen lässt, seine rhythmische Sicherheit, sein herrliches Legato, seine klanglichen Abstufungen, die gekonnte Verblendung der Register, die ausgezeichnete Projektion, die seine Stimme mühelos bis in die hinteren Reihe des Theatersaals trug.

All das führte Kaufmann nicht vor, obwohl es ihm (und noch mehr dem Publikum) Freude bereiten dürfte, den goldenen Ton seines baritonal gefärbten Tenors richtig zur Geltung zu bringen. Doch letztlich sind es ihm Instrumente einer durchdachten Interpretation.

Darstellung der einzelnen Lieder: intensiv

Kaufmann legte den Müllersburschen gleich schon im ersten Lied vielleicht etwas einseitig als ziemlichen Kraftmeier an, den die unerwiderte Liebe zur Müllerin aus dem Gleise wirft, ohne dass er (und der Hörer) recht nachvollziehen kann, wie es dazu so plötzlich kommen konnte. In der Musik angelegte Zeichen, dass diese Wanderschaft ziemlich von Anfang an eine in den Tod ist, finden bei Kaufmann nicht in gleichem Maße zu einer interpretatorischen Linie, wie sie Tenor Richard Resch und Pianist Peter Kreutz kürzlich in der Gütersloher Reihe „Forum Lied" so eindrücklich gelungen ist. Aber das sind vielleicht auch schon subjektive Geschmacksfragen.

Nicht wegzudiskutieren ist indes die Intensität der Darstellung der einzelnen Lieder. Wann hat man in „Halt!" die Sonne je so hell, nämlich mit metallisch strahlender Stimme vernommen, wann wurde „das Bächlein meiner Liebe" so innig-zart befragt, wann in „Ungeduld" das „Dein ist mein Herz" mit solcher Wonne hinausgeschmettert?

Helmut Deutsch hielt sich beim Schlussapplaus zwar im Hintergrund, hatte aber dank seiner außerordentlichen subtilen Klavierkunst einen erheblichen Anteil an der hohen Qualität dieser Liedgestaltungskunst. Drei Zugaben forderte das mehrmals zu Standing Ovations aufspringende Publikum, darunter Schuberts klangfrisch bereitete „Forelle" und den stürmischen „Musensohn". Kunstliedherz, was willst du mehr?




 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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