Abendzeitung, 21.07.2017
Michael Bastian Weiß
 
Verdi: La forza del destino, Bayerische Staatsoper, 19. Juli 2017
 
"La forza del destino" mit Anja Harteros und Jonas Kaufmann
 
Verdis "La forza del destino" mit Anja Harteros und Jonas Kaufmann bei den Opernfestspielen
 
Unsichtbar singt der feierliche Chor der Klosterbrüder, aus dem Graben schmiegt sich das Orchester der Sängerin an. Diese, groß und schlank, in Büßerkleidung, mit schwerem schwarzem Haar, wird von der himmelhohen Holzwand fast von der Bühne gedrängt, während sie mit einem Kreuz in der Hand höhere Mächte um Vergebung anfleht.

So notorisch undurchsichtig sich auch die Handlung von Giuseppe Verdis Oper „La forza del destino“ ausnimmt, chaotisch wie ihre titelgebende „Macht des Schicksals“, so klar ist doch diese Szene. Wer muss schon die Handlung verstehen, wenn man eine Anja Harteros erleben kann?

Von der Regie in Ruhe gelassen

Die vier Jahre alte Inszenierung von Martin Kušej erklärt nicht, was da so alles geschieht, sondern zeigt es in starken Bildern. Anja Harteros als Leonora wird von der Regie in Ruhe gelassen und kann ihren himmlischen Sopran, der bei aller erdrückender Last der Umstände Freiheit, Leben, ekstatisches Gefühl in sich führt, mit herrlichen Spitzentönen einherschweben lassen. Phänomenal, wie sie zu Beginn mit unaufdringlicher Genauigkeit die komponierte Unsicherheit des Orchesters bindet.

Jonas Kaufmann als ihr unglücklicher Geliebter Alvaro überzeugt, weil er sich nicht nur auf den balsamisch dunklen Luxus seines Tenors verlässt, sondern Mut zu fesselnd leisen Tönen hat, welche selbst die spektakulärsten der Bühneneffekte vergessen machen.
Plastische Anschaulichkeit

Unter der Leitung des Dirigenten Asher Fisch, der an der Staatsoper zur Zeit praktisch das gesamte Verdi-Repertoire in seiner Hand hat, läuft das Bayerische Staatsorchester mit einer breiten Palette zwischen delikaten Streichern und rummsendem Schlagzeug-Schlägen zu Hochform auf. Im dritten Akt gelingt es Fisch zwar nicht, sich der auseinanderdriftenden Dramaturgie, die Verdi auch in seiner Revision nicht in den Griff bekommen hat, vollkommen überzeugend entgegenzustellen, doch im Ganzen führt er das figurenreiche Ensemble souverän durch das Dickicht.

Unter den Sängern ragen heraus: der marmorne Bariton Vitalij Kowaljow, der in einer glücklichen Doppelbesetzung sowohl den Marchese als auch den Padre Guardiano in sich vereint, der geborene Dramatiker Simone Piazzolla als rachsüchtiger Don Carlo sowie die mit röhrender Tiefe ausgestattete Nadia Krasteva als Preziosilla. Sie alle tragen zur Buntheit dieser Produktion bei, die dem faszinierend problematischen Stück genau durch ihre Anschaulichkeit gerecht wird.













 
 
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