Der Neue Merker
Peter Dusek
 
 
Verdi: Don Carlos, Paris, 10. Oktober 2017
PARIS /Opèra Bastille: DON CARLOS. Premiere
 
Große Operngala in Paris: ein neuer „Don Carlos“ von Giuseppe Verdi in der französischen Originalfassung aus dem Jahr 1867 mit einem hochkarätigen Ensemble unter der Leitung des zukünftigen Wiener Chefdirigenten Philippe Jordan: Jonas Kaufmann in der Titelrolle, Sonya Yoncheva – die neue bulgarische Diva – als Elisabetta, Ludovic Tézier als Posa und: zum ersten Mal in der anspruchsvollen Partie der Eboli die lettische Mezzo-Sopranistin Elina Garanca. Spätesten beim Mega-Jubel nach der großen Arie im 4. Akt war klar: ihr Rollendebüt war eine Sensation. Die Stimme der Garanca ist größer geworden, aber die Höhen strahlen wie „gleißendes Gold“. Mit der Tiefe kommt sie gut zurande, aber ihre Stärke ist ihr Timbre, ihre Musikalität und ihr Spieltalent. Jedenfalls kann ich mich an keine andere Rollen-Vorgängerin erinnern, die so erotisch und berechnend die Fäden am Hofe von Philipp II. – ausgezeichnet der russische Bass Ildar Abdrazakow – zieht. Elina Garanca hat sich vor zwei Jahren zum Wechsel ins dramatische Fach entschlossen (in zwei Jahren kommt die erste Amneris). Die erste „Bewährungsprobe“ hat sie glänzend bestanden. Nun folgt in Wien die Dalilah!

So umjubelt übrigens die musikalische Seite dieser Don Carlos-Premiere war, die Regie von Krzysztof Warlikowski (Ausstattung Malgorzata Szczesniak) polarisierte und wurde von einem großen Teil des Publikums wütend ausgebuht. Man fühlte sich also an die Wiener Neudeutung der Urfassung von Konwitschny erinnert. Der polnische Regisseur siedelt den Don Carlos im Niemandsland zwischen Entstehung unter Verdi und der Filmwelt der 50er Jahre an und erinnert zwischendurch an den historischen „Infant von Spanien“ (so der Schiller-Original-Unter-Titel): der war hässlich, sadistisch und von epileptischen Anfällen geplagt. Jedenfalls erinnert nun Elisabetta an Liz Taylor. Eboli ist – wenn sie nicht wie beim Auftritt als Fecht-Lehrerin agiert – eine Schwester von Marylin Monroe. Und der Groß-Inquisitor (sehr stark Dmitry Belosselskiy) ist ein Mittelding zwischen Katholischer Kirche und KGB.

Übrigens spielt man die vollständige Urfassung, lässt aber die beiden großen Ballette gänzlich weg. Es dauert dennoch fast 5 Stunden! Eine Frage stellt sich relativ rasch: wozu holt man ausgerechnet Jonas Kaufmann für dieses Dekadenz-Konzept. Der Inbegriff eines strahlenden Helden – er ist stimmlich in Höchstform -müht sich redlich ab, um den hinfallenden Charakter, die Nähe zum Wahnsinn (die Ermordung von Posa erlebt er aus der „Gummi-Zelle“!) und die Folgen der Habsburger-Inzucht zu erspielen. Aber sein vokaler Glanz passt nicht ganz zu diesem Regiekonzept, das im Übrigen niemals der Musik „zuwiderläuft“. Sonya Yoncheva beweist einmal mehr, dass sie mit Recht zu den größten Sopran-Talenten gehört (und demnächst an der MET eine Tosca-Premiere erhalten wird). Aber auch bei Elisabetta gab es mehrmals Stellen, wo sie an ihre Grenzen gerät. In der großen Arie (hier im 5.Akt) hat sie mit den Forte-Spitzentönen ebenso Mühe wie mit dem Piano-Teil („France“). Alles in allem – eine mit Recht bejubelte Leistung. Untadelig in Punkto Stimme und Legato-Vortrag der Franzose Ludovic Tézier – ihm fehlt nur ein unverwechselbares Timbre. Aber das hat man oder eben nicht. Sehr eindringlich der Mönch – Krzysztof Baczyk und vielversprechend Eve-Maud Hubeaux als Thibault.

Last but not least: Philippe Jordan motiviert das Orchester (und auch den Chor) der Pariser Oper zu Höchstleistungen, findet die Balance zwischen kammermusikalischer Intimität und den Szenen der „Grand Opera“. Man kann sich über seine Berufung nach Wien freuen. Und man sollte sich die TV- und Kino-Übertragung (Lugner-City) dieser Produktion am 19.10.2017 nicht entgehen lassen!





 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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